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Ab Mittwoch wird über den neuen Finanzausgleich verhandelt, die Gesundheit steht im Zentrum.
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Wer anhaltendes Bauchweh hat, sollte einen Arzt oder eine Ärztin zwecks Abklärung aufsuchen. Doch je nachdem, an wen sich ein Patient wendet, zahlen für ein und dieselbe Behandlung unterschiedliche Stellen. Unter anderem darum geht es bei den am Mittwoch auf Beamtenebene beginnenden Verhandlungen um einen neuen Finanzausgleich. Im Gesundheitsbereich sind die strukturellen Defizite mittlerweile besonders ausgeprägt, weshalb diesmal nicht nur über eine andere Geldverteilung, sondern auch über eine echte Reform diskutiert wird. Doch das wird schwierig.
Über Jahre haben sich in der basalen Gesundheitsversorgung in Österreich, man könnte sagen, "schlampige Verhältnisse" entwickelt. Die klassische hausärztliche Konsultation ist Angelegenheit der Krankenkasse, die Behandlung in einer Spitalsambulanz zahlen die Bundesländer. Wer zum Wahlarzt geht, muss selbst zahlen, kann aber einen Großteil von der Krankenkasse refundiert bekommen. Im Jahr 2018 waren das insgesamt mehr als 220 Millionen Euro.
Die Niederschwelligkeit für Spitalsbehandlungen, und sei es eine Erstabklärung in einer Ambulanz, ist Segen und Fluch zugleich. Das zeigt auch das Beispiel des anhaltenden Bauchwehs, das viele Ursachen haben kann, von medizinisch irrelevant bis lebensbedrohlich. Im Spital stehen zur Abklärung mehr Ressourcen zur Verfügung. Das könnte auch ein Grund sein, weshalb sich viele Patienten und Patientinnen direkt an die Spitäler wenden. Im Vorjahr wurden so 660.000 Personen ambulant versorgt.
Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass die Notfallambulanzen seit Jahren überlastet sind. Das hat die Stadt Wien zu einer pragmatischen Lösung veranlasst. Sie richtete ab 2021 sogenannte Erstversorgungsambulanzen in einigen Spitälern ein, die als eine Art Hausarzt im Krankenhaus fungieren. Dadurch habe man die Notfallambulanzen deutlich entlasten können, sagt die Stadt, acht von zehn Patienten könnten gleich wieder nach Hause gehen. Aber ist das eine Dauerlösung?
Auf einer anderen Ebene, aber von der eben dargestellten Entwicklung nicht entkoppelt, tragen seit Monaten Ärztekammer und die (rote) Arbeitnehmervertretung der Sozialversicherung ein mediales Fernduell über Wahlärzte aus, an dem sich auch Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker bereits beteiligt hat. Der Konflikt dreht sich um die Frage, ob Wahlärzte die Lage entspannen oder sogar zur Verschärfung beitragen.
Neue Säule oder bessere Steuerung?
Fakt ist: Trotz wachsender und auch alternder Bevölkerung hat sich die Zahl der Vertragsärzte in Österreich seit 2008 nur marginal erhöht, in Wien ist sie sogar gesunken. In der Allgemeinmedizin war der Rückgang in Wien sogar recht deutlich, die Zahl der Wahlärzte ist hingegen stark gestiegen. Insgesamt ordinieren mehr Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin als noch vor 15 Jahren.
Es ist daher denkbar, dass diese Entwicklung zwei, auf den ersten Blick widersprüchliche Auswirkungen hat: Einerseits entlasten die Wahlärzte den Kassenbereich, weil es mehr Angebot gibt. Andererseits dürfte der wachsende Anteil der Wahlärzte auch dazu beitragen, dass immer mehr Patienten Spitalsambulanzen aufsuchen, weil sie sich Wahlärzte nicht leisten können oder wollen.
Ein Hoffnungsanker in der Gesundheitspolitik sind (oder waren?) die sogenannten Primärversorgungseinheiten, die irgendwo zwischen einer Ambulanz und einer klassischen Arztpraxis angesiedelt sind. Die PVE sind interdisziplinär aufgestellt und haben längere Öffnungszeiten, erfüllen aber oftmals den allgemeinmedizinischen Auftrag. Die Behandlungen in diesen Zentren zahlt die Kasse, jedoch fördern die Länder den Ausbau der PVE, der nur sehr schleppend vorangeht.
Der Vorschlag der Länder sieht nun vor, zwischen dem niedergelassenen und dem stationären Bereich eine dritte Säule zu errichten, in die Spitalsambulanzen und Primärversorgungseinheiten integriert werden sollen. Das ist der pragmatische, wohl einfachere, vermutlich aber nicht effizienteste Weg aus der Misere. Die Finanzierung könnte geteilt werden, wobei die Länder, wenig überraschend, den Gutteil beim Bund sehen.
Dass die Patientensteuerung in Österreich zwischen extra- und intramuralem Bereich suboptimal ist, dass es auch zwischen Ärzten im niedergelassenen und im stationärem Bereich Koordinierungs- und Kommunikationsmängel gibt, dürfte unstrittig sein. Denn dieser Befund wird fast immer gestellt, egal mit welcher Seite man redet. Die Gretchenfrage aber ist: Ist es besser, die "schlampigen Verhältnisse" zu beenden oder soll man sie formalisieren? Die Antwort wird noch Wochen, vielleicht Monate auf sich warten lassen. Am Mittwoch erfolgt erst der Startschuss.