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Gesundheitssystem nahe der Sackgasse

Von Heiner Boberski

Wissen

Zerstört "E-Health" das Vertrauen von Patienten zu Ärzten? | Wien. Nur noch wenige Jahre Zeit gibt der Wiener Moraltheologe und Mediziner Matthias Beck dem gegenwärtigen Gesundheitssystem: "Wir werden mit einer Symptombekämpfung nicht weiterkommen. Entweder wir ändern Grundsätzliches oder der Zug fährt in den Graben." Beck führte im Rahmen einer Veranstaltung des Österreichischen Hausärzteverbandes im RadioKulturhaus in Wien die Krise auf das heute vorherrschende rein materialistische Weltbild zurück und plädierte für Gesundheitserziehung in den Schulen. Es gebe eine "desaströse Kommunikationsstörung zwischen Ärzten und Patienten", man sollte das Therapiegespräch höher als die technischen Leistungen honorieren.


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Christian Euler, Chef des Hausärzteverbandes, sieht in E-Health, der elektronischen Vernetzung von Patientendaten, eine große Gefahr für das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und dem Arzt. Auch für den Datenschützer Hans G. Zeger ist klar, dass Patienten Ärzten weniger anvertrauen, wenn sie damit rechnen müssen, dass alles gespeichert und nicht nur an der Heilung, sondern mehr an den Gesundheitskosten orientierten Personen zugänglich gemacht werde. Zeger, sieht hier nicht nur den Datenschutz, sondern menschliche Grundrechte - auf Gesundheit und auf Wahrung der Privatsphäre - verletzt.

Für den Psychiater Andreas von Heydwolff ist in seinem Fach Vertrauen eine Grundbedingung für medizinischen Erfolg. Manche Patienten brauchten Jahre, um mit ihrem Arzt offen über alles zu reden. In anderen Ländern werde schon heftig über "opt out" diskutiert, die Möglichkeit für Patienten, mit ihren Daten aus einem elektronischen Datenpool auszusteigen.

Keine Kreativzeit mehr

Dass psychische Probleme enorm zunehmen, bestätigte die Psychiaterin Margot Schmitz. Der Verkauf von Benzodiazepinen (Schlaf- und Beruhigungsmitteln) sei deutlich gestiegen. Burn-out-Fälle, nicht nur unter Managern, sondern auch bei Verkäuferinnen, Lagerarbeitern und anderen Berufen häuften sich.

Wir seien in "eine freizeitlose Gesellschaft" geraten, in vielen geistigen Berufen fehle die "Kreativzeit" während der normalen Arbeitszeit, da in dieser ständig Administratives zu erledigen sei, zur eigentlichen Kreativarbeit komme man erst am Abend oder am Wochenende. Die gesundheitlichen Folgen eines solchen Umganges mit sich selbst seien absehbar.