Wissenschaftliche Forschung etwa zur Effektivität von Impfungen wird in Österreich weiterhin verunmöglicht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Ich stelle mich bedingungslos vor die Wissenschaft, wenn sie attackiert wird, in Frage gestellt wird und ad absurdum geführt wird", erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch am 2. März in einem ZiB2-Interview. An einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für gesundheitswissenschaftliche Forschung in Österreich hat er offenkundig jedoch kein Interesse.
Das Bundesstatistik- und das Forschungsorganisationsgesetz ermöglichen unter strengsten Sicherheitsvorgaben Forschung mit Registerdaten in Österreich. Die Statistik Austria kann Daten, die auf Basis bundesgesetzlicher Regelungen an sie übermittelt werden, der wissenschaftlichen Forschung im Austrian Micro Data Center zur Verfügung stellen. Darüber hinaus können Bundesministerien über gemeinsame Verordnungen mit dem Wissenschaftsminister weitere Daten für die wissenschaftliche Forschung zugänglich machen. Im Gesundheitsressort wurde von dieser Möglichkeit bisher kein Gebrauch gemacht. In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung zu den diesbezüglichen Plänen im Gesundheitsministerium hieß es Anfang dieses Jahres lapidar, dass es "[Z]um aktuellen Zeitpunkt [...] weder einen Zeitplan für die Einbringung der Register [...] oder einen Austausch mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu dieser Frage" gibt.
Als weitere Belege für das Desinteresse der Gesundheitspolitik an wissenschaftlicher Evidenz können zwei aktuell in Begutachtung befindliche Gesetzesnovellen aus dem Gesundheitsministerium herangezogen werden. Mit dem eEltern-Kind-Pass-Gesetz sollen Daten der Eltern-Kind-Pass-Leistungen elektronisch erfasst und von der Statistik Austria sowie der Gesundheit Österreich GmbH - der ausgelagerten Forschungsabteilung des Gesundheitsministeriums - ausgewertet werden. Die unabhängige wissenschaftliche Forschung soll laut den Gesetzeserläuterungen bis zu einer Verordnung vom Zugang ausgeschlossen bleiben, obwohl nach Übermittlung der Daten an die Statistik Austria diese ohne Verordnung über das Bundesstatistikgesetz der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden könnten.
In einer weiteren Novelle, mit der unter anderem das Gesundheitstelematik- und das Epidemiegesetz geändert werden sollen, wird neu geregelt, mit welchen anderen Registern Informationen aus dem zentralen Impfregister verknüpft werden dürfen und wer Zugang zu den Daten erhalten soll. Genannt werden der/die Gesundheitsminister:in, die Landeshauptleute sowie die Bezirksverwaltungsbehörden. Die Wissenschaft wird vom Zugang explizit ausgeschlossen. Das Gesetz sieht eine Nichtanwendbarkeit des Forschungsorganisationsgesetzes für die gesetzlich vorgesehenen verknüpften Datenbestände vor.
Wissenschaftliche Forschung etwa zur Effektivität von Impfungen wird hierdurch in Österreich weiterhin verunmöglicht. Dies alles kurz nach dem Ende einer Pandemie, der größten gesundheitspolitischen Herausforderung der letzten Jahrzehnte. Die Rückeroberung der ausschließlichen gesundheitspolitischen Deutungshoheit durch Politik und Verwaltung hat begonnen. Die Wissenschaft hat ihre Schuldigkeit getan, die Wissenschaft kann gehen.
So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.