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Getrennt marschieren, vereint blockieren

Von Hans Pechar

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© © Foto: Foto Wilke / Foto Wilke

Die jüngste Debatte um modulare Oberstufe und Aufsteigen oder Sitzenbleiben zeigt wieder einmal, wie nahe und doch so fern einander die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP stehen.


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Es hätte einer der raren Momente werden sollen, in denen die Regierung an einem Strick zieht: Ein monatelanges Ringen um eine Einigung bei einem der bildungspolitischen Tabuthemen, um die uns der Rest der Welt so aufrichtig beneidet, nähert sich der Zielgeraden.

Schon glaubt man, wir würden einem auf die Wissensgesellschaft abgestimmten Bildungssystem einen kräftigen Flohsprung näher kommen. Doch in letzter Sekunde erheben die Hüter der Parteilinie ihr trutziges Haupt und pfeifen die Abweichler aus den eigenen Reihen zurück.

Diese Posse, die wir in den vergangenen Wochen anhand der modularen Oberstufe erleben durften, wurde im Dezember des Vorjahres in spiegelverkehrter Besetzung aufgeführt. Die Regierung rang damals um einen Kompromiss bei der Begrenzung des Zugangs zu den universitären Massenfächern.

Auch in der SPÖ konnten sich einige Unerschrockene der Einsicht nicht länger verschließen, dass eine Universität nicht Jahr für Jahr 5000 Anfänger aufnehmen kann, wenn ihr die Regierung nur 3000 Studienplätze finanziert.

Aber als ein paar studentische Hitzköpfe einen Sturm im Wasserglas entfachten, machte die SPÖ sofort einen Rückzieher. Statt der Studienplätze begrenzte die Bundesregierung lieber das Budget der Universitäten. Diese sollen nun mit noch geringeren Mitteln als zuvor auch die zu erwartende neue Welle an deutschen Numerus-Clausus-Flüchtlingen bewältigen.

Diesmal aber waren die Hardliner der ÖVP an der Reihe. Schon im Frühjahr hatte man Beatrix Karl, die man liberaler Abweichungen verdächtigte, die Verhandlungsführung mit dem Koalitionspartner entzogen und sie an Werner Amon, ein erprobtes Bollwerk gegen die "Eintopfschule" übertragen.

Aber auch dieser brave Parteisoldat hat sich schließlich dem Argument gebeugt, dass die Ehrenrunde keine taugliche pädagogische Maßnahme zur Korrektur von Schulversagen ist. Immerhin stimmte selbst die jeglichen Reformübermuts unverdächtige Lehrergewerkschaft dem Konzept zur modularen Oberstufe zu.

Aber in einigen Landesorganisation der ÖVP, wo es vor Turboleistungsträgern nur so wimmelt, vermisst man den "Leistungsgedanken". Man wittert Kuschelpädagogik, wenn das Versagen in einem Fach nicht mehr mit der Wiederholung der ganzen Klasse bestraft wird. Und weil der Bundespartei immer das Herz die Hose rutscht, wenn sich die eigenen Landesfürsten räuspern, hat die ÖVP schnell den Rückzug angetreten.

Wie weit sich der nun gefundene Minimalkompromiss - der sofort unterschiedlich interpretiert wurde - von dem ursprünglichen Modell unterscheidet, wird erst der endgültige Gesetzestext zeigen. Eines scheint aber schon jetzt sicher: Bildungspolitik wird auch in Zukunft ein Stolperstein für diese Koalitionsregierung sein.

Hans Pechar leitet die Abteilung für Hochschulforschung an der Universität Klagenfurt.

Die Tribüne gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.