In Österreich muss immer erst etwas passieren, damit etwas passiert.
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Das dritte Pandemiejahr ist angebrochen, doch die Lernkurve in Österreich ist flach. Noch immer ist die Bundesregierung eine Getriebene der Ereignisse. Es gilt: reagieren statt planen. Oder wie es der Verwaltungsexperte Wolfgang Gratz formuliert hat: "Es ist sichtbar geworden, dass die Politik nicht mit ruhiger Hand strategisch steuert, sondern in die Verwaltung situativ hineingreift."
Geschielt wird auf die nächsten Tage und Wochen, der weitere Horizont ist nebensächlich. Jüngstes Beispiel ist die Impfpflicht. Sie müsse jetzt umgesetzt werden, ein Zuwarten sei nicht sinnvoll, hieß es seitens Türkis-Grün beim Beschluss im Nationalrat im Jänner. Kaum in Kraft getreten, wurde die Maßnahme von den Ländern zerpflückt. Der Bund schob die Verantwortung einer Kommission zu. Diese hielt fest, dass der Zeitpunkt für die Umsetzung klug gewählt werden müsse, nämlich vor der Herbstwelle. Und siehe da: Einen Monat nach Inkrafttreten erklärte die Regierung, das Gesetz werde ausgesetzt, ein Zuwarten sei nämlich sinnvoll.
Nun ist klar, dass sich bei einer Pandemie nicht alles durchplanen lässt: Es werden Fehler gemacht, auch andere Länder haben Probleme. In Österreich ist aber augenfällig, wie sehr es beim Krisenmanagement hapert. Die monatelange Debatte um das Impfpflichtgesetz war ein klar österreichisches Spezifikum. Am Donnerstag folgte die nächste Verwirrung: Die Corona-Kommission forderte die Wiedereinführung von Maßnahmen, die vor wenigen Tagen abgeschafft wurden. Eine klare Linie und Kommunikation sehen anders aus.
Verwunderlich ist, dass die Regierung ohne Not in den Schlamassel gerät. Erkenntnisse und Analysen zur Entscheidungsfindung liegen ihr ja vor. Die Debatte, ob Omikron die Impfpflicht unzulässig macht, gab es seit Anfang Dezember. Im Wochentakt wurde klarer, dass die Variante die Lage verändert. Doch eisern wurde an dem Vorhaben festgehalten, nur um kurze Zeit nach der Umsetzung zu verkünden, Omikron mache die Impfpflicht unzulässig.
Im Verteidigungsressort wiederum legte Minister Thomas Starlinger 2019 einen Bericht zum maroden Zustand des Bundesheeres vor. Das "Risikobild 2030" warnte vor Risiken, die sich nun verwirklichen, und hielt fest, dass die mangelhafte strategische Handlungsfähigkeit Österreichs in Krisen die Sicherheit gefährdet. Wie reagierte Ministerin Klaudia Tanner? Das sei alles übertrieben, das Heer solle seine Landesverteidigung auf ein Minimum reduzieren. Im Zuge des Ukraine-Kriegs gibt sie sich plötzlich als Verfechterin des Aufrüstens.
Abhilfe soll ein neues Krisensicherheitsgesetz schaffen. Aber auch das ist bezeichnend: Das Lagezentrum soll im Innenministerium angesiedelt sein, also bei der Polizei, die primär situativ zur Gefahrenabwehr eingreift. Und nur weil es ein Gesetz gibt, sind nicht alle Schwächen ausgeräumt. Denn gute Planung ist vor allem Kopfsache.