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Gewachsenes Durcheinander

Von Simon Rosner

Politik

Neustart für die Reform des Mietrechtsgesetzes im Parlament - Thermen werden Angelegenheit der Vermieter.


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Wien. Stefan Artner erklärt das Mietrechtsgesetz kurz und prägnant: "Wahnsinnig kompliziert, kaum jemand durchschaut’s". Artner muss, er ist Anwalt und Partner der Kanzlei Dorda Brugger Jordis und unter anderem auf dieses Gesetz spezialisiert. Es ist kein gutes Gesetz, zumindest darin sind sich so ziemlich alle einig. "Von den Grundzügen ist es schon sinnvoll", sagt Artner, "aber das Problem ist, dass es Unterscheidungen macht, die an der Praxis vorbeigehen."

Einiges, was an diesem Gesetz nicht mehr passt, ist über die Jahre einfach passiert, niemand hat Schuld. Zum Beispiel ging man bei Altbauten einst von schlechterer Substanz gegenüber Nachkriegsbauten aus und reglementierte dort den Mietzins. Mittlerweile sind die meisten Altbauten in Wien saniert und begehrt, während freifinanzierte Häuser aus den 50er und 60er Jahren mitunter verfallen. Deren Mietzins ist aber freigegeben. "Es passt einfach vieles nicht mehr zueinander", sagt Artner.

Die Qualität des Gesetzes ist die eine Baustelle, die andere lässt sich mit dem Schlagwort "Leistbares Wohnen" umschreiben. So ist auch ein Kapitel im Regierungsprogramm betitelt, die Reform des Mietrechtsgesetzes ist darin ein Punkt. Eine Expertenkommission, eingesetzt vom Justizministerium, sollte "konkrete Reformvorschläge" erarbeiten, wie es aus dem Büro von Minister Brandstetter heißt, die Vorschläge blieben allerdings insofern wenig konkret, als sie vor allem von Interessensgruppen kamen. Und deren Aufgabe ist es eben, Interessen zu vertreten, nicht Einigungen zu erzielen. "Es hat uns auch niemand gesagt, dass wir uns auf eine einheitliche Linie zu einigen haben", sagt Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte von der Arbeiterkammer Wien.

Gut möglich, dass man sich den Umweg dieser Kommission hätte ersparen können, denn weitergekommen ist man auf dem Weg zu einer Reform des Mietrechts nicht, sie liegt nach wie vor in ihrem Anfangsstadium, nun aber bei den Klubs im Parlament.

Mietgrenzen und ihre Folgen

Die Baustelle Nummer eins, die Entflechtung der komplexen Materie, ist zwischen SPÖ und ÖVP mehr oder weniger unstrittig. Allerdings ist eine Novelle nicht ohne die zweite Baustelle zu denken, nämlich der Frage, ob und wie das Mietrechtsgesetz leistbares Wohnen ermöglichen soll und kann. Bei dieser Frage gibt es nicht nur diverse Sichtweisen, sondern auch unterschiedliche Interpretationen der Auswirkungen.

Beispiel Mietzinsgrenzen: Für Rosifka ist klar, dass diese den Spekulationen entgegenwirken, weil die Renditerwartungen der Eigentümer dadurch nicht in den Himmel wachsen können. Gegner derartige Grenzen verweisen auf Studien, wonach eine Mietenkontrolle langfristig zu Preissteigerungen führt, da das Vermieten gegenüber dem Wohnungsverkauf unattraktiv wird.

Die Frage von Mietgrenzen wird im Regierungsprogramm nicht angerissen, sehr wohl aber jene nach einer "transparenten Mietzinsbildung". Bei Richtwertmieten (Altbauten) gibt es ein schwer zu durchblickendes Zu- und Abschlagssystem, das sowohl für Mieter als auch Vermieter wenig Sicherheit bietet. "Wir müssen uns aber auch fragen, ob wir Lagezuschläge überhaupt wollen", so Rosifka. "Diese Wertsteigerungen werden zum Großteil durch den Steuerzahler bezahlt." Wenn die Gemeinde Wien die U-Bahn verlängert oder Graz eine neue Straßenbahnlinie, zahlt dies die öffentliche Hand. Von der Aufwertung der Viertel profitieren in erster Linie die Vermieter.

Wohnungszubehör geregelt

Es sind heikle Fragen, die zwischen SPÖ und ÖVP geklärt werden müssen, zudem herrscht bei den Erhaltungspflichten "Kraut und Rüben", wie Anwalt Artner sagt. Ein Dauerthema ist nun schon vorab entschieden worden, es wird die Verhandlungen nicht mehr beeinträchtigen. Thermen werden künftig Angelegenheit der Vermieter und müssen von diesen bei Bedarf erneuert (und bezahlt) werden. Dieser Beschluss wird am Dienstag in den Ministerrat eingebracht, dafür gibt es auch eine Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes.

Aufgrund einer gesetzlichen Unklarheit waren zigtausende Eigentümer davon bedroht, dass einst erworbenes, aber nie im Grundbuch eingetragenes Wohnungszubehör (Keller, Stellplatz) der Allgemeinheit zufallen. Das Gesetz wird repariert und ebenfalls am Dienstag eingebracht.

Eine Reform des Mietrechts ist das freilich noch nicht. Doch obwohl die Materie komplex ist und die Expertengruppe keine Vorlage präsentieren konnte, dürften die Voraussetzungen für eine Reform nicht so schlecht sein. Sie wird halt noch etwas dauern. Dass die SPÖ das Gesetz etwas mehr in Richtung Mieterfreundlichkeit drehen will, ist klar. ÖVP-Wohnbausprecher Hans Singer kommt allerdings aus dem ÖAAB, auf seine Homepage hat er einen Wahlspruch geschrieben: "Leistbares Leben - Mehr Geld im Börsel".