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Der seit letzten Freitag laufende Einsatz der ersten EU-Friedenstruppen ohne NATO-Unterstützung bereitete im Vorfeld einiges Kopfzerbrechen. Unter Drogen stehende Kindersoldaten, Kannibalismus und der von den Rebellen angekündigte Widerstand sind die Schreckgespenster für die Verantwortlichen.
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Schon vor dem Aufbruch der von Frankreich geführten EU-Friedenstruppe beschwörte der Kongo Albträume herauf: Die Friedensschützer begäben sich in einen afrikanischen Hexenkessel, wo sich Volksstämme gegenseitig abschlachten, unter Drogen gesetzte Kindersoldaten kämpfen und ritueller Kannibalismus verbreitet sei. Angesichts solcher Berichte fragte sich so mancher in Deutschland und anderen EU-Staaten mit Bangen, was die Soldaten in dem zentralafrikanischen Land tatsächlich erwartet.
Einige Befürchtungen beruhen auf Missverständnissen. Die insgesamt 1.400 Soldaten, darunter 700 aus Frankreich und weitere aus Südafrika, Großbritannien und Kanada, werden nicht mitten im afrikanischen Dschungel gegen kampferprobte Guerilleros kämpfen. Der Weltsicherheitsrat erteilte ihnen den Auftrag, die Stadt Bunia und ihren Flughafen im Nordosten Kongos bis September zu sichern. Dann sollen Verstärkungen der bereits vorhandenen militärischen Beobachtermission der UN in Kongo (MONUC) eintreffen. Die Friedenstruppen dürfen zur Durchsetzung ihres Auftrags Gewalt einsetzen, sie haben jedoch kein spezielles Mandat, die Bunia beherrschende Miliz zu entwaffnen.
Bunia ist die Hauptstadt der Provinz Ituri, wo in den vergangenen Monaten bei Stammeskämpfen mehrere hundert Menschen starben. Die Großstadt mit unbefestigten Straßen, verfallenen einstöckigen Häusern und rudimentärem Mobilfunknetz wird derzeit von der "Union Kongolesischer Patrioten" (UPC) beherrscht. Die zum Volk der Hema gehörende UPC-Miliz verfügt in der Stadt über mehrere hundert Kämpfer, viele von ihnen Kinder. Ihre Anführer haben bereits heftigen Widerstand gegen die französisch-geführte Friedenstruppe angekündigt.
Zum Arsenal der UPC gehören schwere Maschinengewehre, Raketenwerfer sowie Anti-Personen- und Anti-Panzer-Minen. "Sollte es zu einer Konfrontation kommen, so kann man sich die Art des Kampfes vorstellen", meint Francois Grignon, Afrika-Experte des Think-Tank International Crisis Group.
Doch dazu soll es erst gar nicht kommen. Zurzeit laufen Verhandlungen zwischen den verschiedenen Kräften in Ituri über eine friedliche Entmilitarisierung Bunias. Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen üben die USA und Großbritannien starken Druck auf Ruanda aus. Die Schutzmacht der UPC soll ihre Verbündeten zum Einlenken bewegen.
Ruanda und Uganda hatten 1998 einen Krieg gegen die kongolesische Regierung begonnen und große Teile des Landes, das 1971-1997 Zaire hieß, besetzt. Das führte zur Intervention weiterer afrikanischer Staaten. Befehlshaber auf allen Seiten plünderten unter dem Deckmantel des Krieges die reichen Bodenschätze Kongos, wie eine UN-Untersuchung feststellte. Weil die beteiligten Mächte Stellvertreter- Milizen aufbauten, geht der Kampf um Land und natürliche Reichtümer auch nach dem Abzug der ruandischen und ugandischen Truppen weiter. Rund um Bunia locken Goldminen die Plünderer an.
Als im vergangenen Monat bei Gefechten um Bunia rund 400 Menschen starben, wurden Rufe nach einer internationalen Intervention laut. 15.000 Einwohner flüchteten sich vor den Kämpfen zwischen der Hema- Miliz UPC und verfeindeten Gruppen vom Lendu-Volk an zwei Orte, die von dem kleinen MONUC-Kontingent aus Uruguay kontrolliert werden. Der Rest der Bewohner Bunias ist angeblich anderswo im Land auf der Flucht. Nach Ansicht von Experten kann die internationale Truppe vorübergehend für die dringend notwendige Sicherheit in Bunia sorgen. Frieden für Ituri und den Kongo können letztendlich nur Verhandlungen bringen.