Kommission fordert Maßnahmen gegen Übergriffe. | Misshandlungen sollen datenmäßig erfasst werden. | Wien/Brüssel. Wenn es um Gewalt gegen Frauen geht, versteht EU-Justizkommissarin Viviane Reding keinen Spaß: 25 Prozent aller Europäerinnen seien zumindest ein Mal in ihrem Leben Opfer von Misshandlungen geworden, weiß sie, zehn Prozent litten unter sexuellen Übergriffen. Die Zahlen sprächen für sich, jetzt müsse gehandelt werden, so die Politikerin: Schnell und mit Nachdruck. Ziel Brüssels sei es, die Gewalt an Frauen "auszurotten". | Frauen gewinnen an Polit-Einfluss
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Bis jetzt ist die Europäische Union der Frage nicht mit Siebenmeilenstiefeln nachgegangen, erste Schritte wurden dennoch unternommen. So präsentierte Reding am Freitag gemeinsam mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine ambitionierte Frauen-Charta. Eckpunkte des noch zu konkretisierenden Programms sind die stufenweise Angleichung der Gehälter, Anhebung der Frauen-Quote in der Politik, und: Beseitigung von Gewalt an Frauen. Genitalverstümmelung etwa sei weder innerhalb der EU noch irgendwo in der Welt hinnehmbar, so Redingl. Man wolle sogar über Sanktionen gegen Länder nachdenken, die derartig "grausame Verbrechen" begingen.
Zwischen Bajonett und Babybauch
Im EU-Vorsitzland Spanien hat Reding derzeit einen wichtigen Verbündeten für ihre Anliegen. Der sozialdemokratische Premier José Luis Zapatero hat vor der Wahl 2004 versprochen, in der Regierungsriege für Geschlechterparität zu sorgen - und die Ansage umgesetzt.
So erhielt Spaniens Generalität eine junge Verteidigungsministerin vorgesetzt, die konservativen Offiziersaugen ein ungewohntes Bild bietet. So hat Carme Chacon in der Vergangenheit hochschwanger Militärparaden abgenommen und in der Öffentlichkeit mit Angehörigen von in Afghanistan gefallen Soldaten geweint. Zuletzt erklärte sie den Schutz von Frauen in Kriegssituationen zur Priorität.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass Spanien mittlerweile zum EU-Vorreiter in Sachen Frauenrechte geworden ist. Beim Rat der Sozialminister am Montag will man beginnen, auf EU-Ebene Nägel mit Köpfen zu machen. Erster Schritt: Unter der Notruf-Nummer 116 werden bedrohte Frauen überall in der EU Hilfe erhalten. Zudem nimmt eine eigene Beobachtungsstelle für Gewalt an Frauen Gestalt an. Die im Aufbau befindliche Institution soll unter anderem die spezifische Anzahl von Morden und Mordversuchen an Frauen dokumentieren. Darüber hinaus wird etwa untersucht, in welchem Verwandtschaftsverhältnis sich Opfer und Täter befinden. Auch sollen Suizidrate und die Zahl weiblicher Selbstmordversuche erfasst werden.
Debattiert wird außerdem ein einheitliches Wegweiserecht für gewalttätige Männer. Frauen, die vor prügelnden Männern in ein anderes EU-Land flüchten, sollen dort bei Bedarf von der Polizei geschützt werden. Zwölf EU-Länder haben sich mittlerweile dem spanischen Vorstoß angeschlossen - und Österreich ist nicht dabei. Warum das so ist, erklärte am Freitag Wolfgang Bogensberger, Sektionschef im Justizministerium, bei einer EU-Veranstaltung in Wien.
Man unterstütze den spanischen Vorstoß, so der Beamte vor fast ausschließlich weiblichem Publikum, doch gehe er nicht weit genug. Denn: Prinzipiell sei es das Ziel, Frauen schnell zu schützen. Das sei aber etwa nach der spanischen, auch nach der italienischen Gesetzeslage nicht möglich. Dort müsse sich ein Gericht langwierig mit der Sache auseinandersetzen, die bedrohten Frau gerate in Gefahr. Fazit: Es geht der Regierung darum, dass Österreicherinnen im Ausland den gleichen Schutz erhalten wie in ihrer Heimat.