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Gewalt gegen Frauen - Verletzung der Menschenrechte

Von Michele Bachelet

Gastkommentare

Noch immer werden viele Mädchen und Frauen geschlagen, verstümmelt oder zwangsverheiratet. Die Gesellschaft muss dringend handeln.


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Als junges Mädchen habe ich in meinem Heimatland Chile ein Sprichwort gehört: "Quien te qiere te aporrea." ("Wer dich liebt, schlägt dich.") Ich erinnere mich an eine Frau, die sagte: "So ist es eben." Heute, da die Gesellschaft insgesamt gerechter und demokratischer geworden ist, ist auch das Bewusstsein dafür gewachsen, dass Gewalt gegen Frauen weder unvermeidlich noch akzeptabel ist.

Diese Akte der Gewalt gegen Frauen werden immer stärker als das verurteilt, was sie sind: Verletzungen der Menschenrechte, eine Bedrohung für die Demokratie, den Frieden und die Sicherheit sowie eine schwere Last für die Wirtschaft der jeweiligen Länder.

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir in diesem Bereich viele Fortschritte erzielt. Heute gibt es in 125 Staaten dieser Welt Gesetze zum Schutz für Frauen vor häuslicher Gewalt. Das hat vor einem Jahrzehnt noch ganz anders ausgesehen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sieht sexuelle Gewalt inzwischen als eine absichtlich eingesetzte Kriegstaktik an. Klare Fortschritte beim Völkerrecht ermöglichen es, sexuelle Gewalt während und nach Konflikten strafrechtlich zu verfolgen.

Aber leider sind Diskriminierung und Gewalt noch immer allgegenwärtig. Weltweit leben 603 Millionen Frauen in Ländern, in denen häusliche Gewalt nicht als Straftat gilt. Weltweit haben rund 60 Prozent aller Frauen mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle oder physische Gewalt erfahren müssen.

Mehr als 60 Millionen Mädchen werden als Kinderbräute vermählt und schätzungsweise 100 bis 140 Millionen Frauen und Mädchen mussten eine Genitalverstümmelung über sich ergehen lassen.

Gewalt gegen Frauen ist eine der am weitesten verbreiteten Verletzungen der Menschenrechte. Gleichzeitig ist aber diese Gewaltform immer noch diejenige, die am wenigsten verfolgt wird.

Wir müssen nach vorne blicken. Als Direktorin von UN Women habe ich einen konkreten Aktionsplan entwickelt, um Gewalt gegen Frauen zu stoppen. Wir brauchen effektive Gesetze, und die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden. Männer und Burschen müssen als Partner für Gleichberechtigung sorgen. Gewalt gegen Frauen darf nicht toleriert werden. Wir müssen mehr in die Aufklärung investieren. UN Women, die Einheit der Vereinten Nationen, die sich weltweit für die Gleichberechtigung der Geschlechter und für die Stärkung der Rechte der Frau einsetzt, führt eine globale Initiative an, damit Frauen und Mädchen unterstützt werden, wenn sie Opfer von Gewalt werden. Das Mindeste, was wir für sie tun müssen, ist, sofort zu handeln, um sie zu unterstützen, telefonische Seelsorgedienste einzurichten, für sichere Unterkunft zu sorgen, sie nach einer Vergewaltigung psycho-sozial zu betreuen und ihnen kostenlose Rechtshilfe zu ermöglichen, damit sie ihre Rechte kennen.

Gewalt gegen Frauen ist nicht allein ein Frauenthema. Dieses Thema geht jeden von uns an, auch und vor allem die Männer. Wenn wir gemeinsam handeln, wird das zu mehr Frieden, Gerechtigkeit und Gleichheit führen.