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Gewalt wirft Entwicklung zurück

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Regionen lösen sich nur schwer aus der Armutsspirale. | Basisversorgung und Wirtschaft bleibt über Jahre zerstört. | Washington. Sobald in einem Entwicklungsland ein Konflikt eskaliert, ist es fast zu spät: Jedes von Gewalt geprägte Jahr wirft das Land um Längen bei der Armutsbekämpfung zurück. Und nicht nur das: Die Wahrscheinlichkeit, dass es in diesem Land wieder zu Konflikten kommt, nimmt zu: Laut den Daten der Weltbank (im Entwicklungsbericht 2011) haben sich 90 Prozent der Bürgerkriege im 21. Jahrhundert in Ländern ereignet, die in den 30 Jahren zuvor bereits schon einmal von einem internen Konflikt betroffen waren.


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Jene Länder verzeichnen eine um 20 Prozentpunkte höhere Armutsrate als andere Entwicklungsländer in der Region.

Eines der Probleme ist, dass die Entwicklungshilfe oft "unausgewogen" ist, schreibt die Weltbank in ihrem Entwicklungsbericht 2011: Ein falsches Fortschrittsverständnis des Westens führt dazu, dass die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit nach Konflikten einerseits oft kurzfristig sind und bei weitem jenes Geld übersteigen, das in Länder fließt, die mühsam versuchen, eine Eskalation der Gewalt abzuwenden, um nicht in die sich gegenseitig potenzierende Spirale aus Gewalt und Armut abzudriften.

"Wenn ein Staat in einen dieser anhaltenden Konflikte fällt, sind dessen Bürger doppelt so oft von Armut, Unterernährung und fehlender Schulbildung betroffen wie in anderen Staaten", erklärt Sarah Cliffe, Leiterin des Development Report Teams der Weltbank, die auf Einladung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit in Wien war.

Während etwa Ghana von größeren Konflikten unberührt geblieben ist und in den letzten Jahren enorme Fortschritte in der Armutsbekämpfung gemacht hat, stellt sich die Lage im Kongo komplett anders dar: Das von anhaltenden Bürgerkriegen geprägte Land nimmt trotz seines Rohstoffreichtums den vorletzten Platz im Human Development Index der UNO ein.

"Das 20. Jahrhundert war von zwischenstaatlichen Kriegen geprägt. Im 21. Jahrhundert hat sich die Gewalt geändert, heute sind es meist innerstaatliche Konflikte bis hin zu organisiertem Verbrechen, das den Staat bedroht", so Cliffe im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Die traditionellen Geberländer zögern inzwischen, mehr Hilfsgelder fließen zu lassen, da man im Zuge der Finanzkrise inzwischen mit Arbeitslosigkeit im eigenen Land konfrontiert ist. Das sei zwar verständlich, aber zu kurz gedacht. Man vergesse, dass die Welt inzwischen vernetzt ist und auch geographisch ferne Problemgebiete Auswirkungen auf Industrienationen haben.

Krisen finden Wege in die Industriestaaten

Libyen sei ein gutes Beispiel: Mit dem Beginn des Aufstands ist der Preis für Rohöl gestiegen - in den ersten vier Wochen nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs um 15 Prozent. Die Konflikte in Nordafrika sind der Grund, weshalb die afrikanische Wirtschaft 2011 deutlich langsamer wachsen wird, heißt es im aktuellen Afrika-Ausblick der OECD. Afrika jenseits der Sahara-Zone werde schneller wachsen als der Norden des Kontinents.

Aber auch die Vorkommnisse in Ländern ohne nennenswerte Rohstoff-Exporte prägen das globale Zusammenleben - Terrorismus, Flüchtlingsbewegungen und Krankheiten sind für die Weltbank letztendlich Auswirkungen von gewaltbedingter Armut. "Somalia wurde lange ignoriert. Ein Land, bei dem es niemand nötig gefunden hatte, auf Prävention zu setzen, es ist mit seinen langjährigen internen Konflikten allein gelassen worden. Bis eines Tages das Land aufgrund der Piraten in die Schlagzeilen gekommen ist. Plötzlich war der internationale Handel gefährdet."

Schätzungen zufolge verursacht die Piraterie durch Versicherungsprämien und Umwegfahrten direkte Kosten von bis zu 11,2 Milliarden US-Dollar.

"Legitime Institutionen, die Sicherheit, ein funktionierendes Justiz-System und Jobs zur Verfügung stellen, sind die drei Faktoren, die sich die Bevölkerungen in gewaltgeplagten Ländern wünschen", verweist Sarah Cliffe auf zahlreiche quantitative Analysen. "Sie wollen Arbeit und sie wollen auch, dass ihre Kinder Arbeit haben."

In Umfragen, die in sechs von Gewalt betroffenen Gebieten durchgeführt worden sind, war Arbeitslosigkeit der Hauptgrund, weshalb sich junge Menschen einer Rebellenbewegung oder einer Gang anschließen. Korruption und Unrecht werden dagegen als Gründe genannt, die die Konflikte befördern. In Ländern ohne funktionierendes Rechtssystem und ohne Arbeitsplätze fühle man sich zudem sicherer, wenn man einer gewalttätigen Gruppe angehört.

Die Weltbank versucht mit Programmen auf lokaler Ebene für Prävention und Bildung zu sorgen. Um Korruption dabei zu umgehen, wird oft mit NGOs zusammengearbeitet. Zudem wird die Gesamthöhe des jeweiligen Budgets auf einem Plakat aufgehängt, sodass die Bewohner wissen, wie viel ihnen zusteht - und nachfragen können, sollte ein Teil des Geldes verschwinden.

Derzeit leben rund 1,5 Milliarden Menschen in Konfliktregionen oder sind Opfer politischer oder krimineller Gewalt. In Afrika nimmt Gewalt vor allem die Form von Bürgerkriegen an, während Lateinamerika traditionell die organisierte Kriminalität zugeschrieben wird.