Abgeordnete Dourou: Rechtsextreme griechische Partei Problem für ganz Europa.
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"Wiener Zeitung": Ihre Links-Koalition Syriza hat sich vor den Wahlen vehement gegen die Sparpolitik der Troika starkgemacht. Wie wollen Sie diese verhindern?Rena Dourou: Wir haben den Weg vom ersten Tag als größte Oppositionspartei beschrieben: Wir werden politisch effizient und gezielt gegen die katastrophalen Folgen des Troika-Memorandums vorgehen - im Parlament und außerhalb. Das tun wir seit Juni. Wir fordern die Koalitionsregierung täglich mit parlamentarischen Anfragen heraus und haben drei Gesetzesentwürfe vorgelegt: für verschuldete Haushalte, zu den Universitäten und zur Wiedereinführung von kollektiven Lohnverhandlungen. Obendrein organisieren wir Solidaritätsnetzwerke, Sozialläden, um der Bevölkerung zu helfen, und koordinieren den gesellschaftlichen Widerstand.
Was planen Sie in den nächsten Wochen?
Ihre Leser müssen im Hinterkopf behalten, dass die griechischen Bürger mit einer nie da gewesenen humanitären Katastrophe konfrontiert sind. Die Gesundheitsversorgung, Bildung, öffentliche Verwaltung kollabieren. Löhne und Pensionen schwinden dahin. Die Arbeitslosigkeit steigt und steigt - einer von zwei Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren hat keinen Job. Gut ausgebildete junge Griechen verlassen das Land in Scharen - das haben wir so seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt.
Wir wollen zwei Dinge erreichen - der Bevölkerung helfen, die tagtäglich mehr in die Armut stürzt und politisch danach trachten, wie wir die aktuelle Troika-Politik beenden können, die uns nirgends hinführt, außer in eine noch tiefere Rezession und Krise.
Suchen Sie dabei Partner und Allianzen auf europäischer Ebene?
Syriza hat immer großen Wert darauf gelegt, die Beziehungen zu politischen und sozialen Partnern zu kultivieren. Wir arbeiten unter anderem eng mit der deutschen Linken und der französischen Linksfront zusammen, koordinieren uns mit Vorschlägen, Initiativen und Aktionen, aber auch mit der Europäischen Linken. Der Vorsitzende der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas, Hannes Swoboda, hat - anders als andere europäische Politiker - Kontakt zu Syriza aufgenommen, er kennt und schätzt unsere Positionen. Er verfolgt selbst ähnliche Ansichten - und hat kürzlich von einer "Troika des Schrumpfens und der Arbeitslosigkeit" gesprochen, die gesunde Teile der Wirtschaft killt, anstatt die kranken Teile zu heilen.
Wie erklärt sich Syriza den Aufstieg der rechtsextremen Partei Goldene Morgenröte in Griechenland?
Das Phänomen Goldene Morgenröte ist nicht neu. Dafür ist die Politik der beiden Großparteien Pasok und Nea Dimokratia in den vergangenen Jahrzehnten verantwortlich. Sie haben rassistische Gefühle geschürt, indem sie keine vernünftige Immigrationspolitik verfolgt haben - zu einer Zeit, als tausende Immigranten ankamen. Das hat den Weg für die extrem rechten Parteien freigemacht. Die Wirtschaftskrise hat das wie ein Katalysator verstärkt.
Obendrein ist es empörend das diese beiden Parteien, die für den Aufstieg der Goldenen Morgenröte verantwortlich sind, immer von zwei politischen Polen - der "extremen Rechten und extremen Linken" sprechen, um die Menschen für sich einzunehmen. (Nea Dimokratia und Pasok vergleichen oft Gewalttaten der Goldenen Morgenröte mit solchen der extremen Linken, Anm.) Die Linke war historisch, in und außerhalb von Griechenland, immer jene Kraft, die Faschismus und Rassismus bekämpft hat - und sie hat einen hohen Preis dafür bezahlt. Syriza wird dieser Verantwortung nicht ausweichen. Die Partei steht im Kampf gegen die Goldene Morgenröte in der ersten Reihe.
Was wollen Sie unternehmen?
Ich würde gerne anmerken, dass dieses Phänomen nicht nur Griechenland, sondern ganz Europa betrifft: Die Gewaltakte von Mitgliedern der Goldenen Morgenröte schaden der Demokratie insgesamt. Europäische Länder, die Erfahrungen mit diesem Phänomen haben, müssen klar dagegen auftreten. Heute versucht die Goldene Morgenröte die demokratischen Institutionen in Griechenland faschistisch zu unterlaufen. Was wird morgen passieren?
Sie wurden bei einer TV-Livedebatte von einem Mitglied der Goldenen Morgenröte mit Wasser angeschüttet. Gehen Sie dagegen vor?
Ich habe nach Rücksprache mit Syriza geklagt - das war keine rein persönliche Auseinandersetzung. Es war ein Sinnbild für die Mentalität der Goldenen Morgenröte. Diese kann man in einem Wort zusammenfassen: Gewalt. Sowohl physisch als auch verbal. Und es hat nicht lange gedauert, bis diese zum Ausbruch kam, nachdem Goldene Morgenröte bei der Wahl sieben Prozent und 18 Sitze im Parlament erreicht hatte.
Die Attacken gegen Immigranten, aber auch gegen griechische Bürger werden täglich mehr: Angriffe an öffentlichen Orten, in Spitälern, auf Flohmärkten. Das Schockierendste daran: Die Mitglieder der Goldenen Morgenröte verstecken sich nicht einmal mehr dabei. Sie wollen mit ihren offenen rassistischen Botschaften Immigranten und Griechen, die nicht ihrer Meinung sind, einschüchtern. Wir müssen als Gesellschaft sofort, entschlossen und solidarisch darauf reagieren. Syriza wird ihnen nicht erlauben, die Demokratie zu unterwandern.
Konnte Ihre Partei nach der Wahl lokale Strukturen etablieren?
Wir haben damit begonnen, unsere 12-Parteien-Koalition Syriza zu integrieren. Das ist ein Prozess, der an der Basis durch den Druck von Leuten vorangetrieben wird, die wollen, dass - wie unser Parteichef Alexis Tsipras gesagt hat - die Partei eine Bewegung, eine Volksbewegung wird. Viele Personen, die der Partei fernstanden, wollen daran teilhaben. Das wird sich fortsetzen.
Dennoch: Die großen Syriza-Stimmengewinne scheinen politisch nicht allzu viel im Land verändert zu haben. Was sagen Sie dazu?
Die zweimaligen Wahlen haben gezeigt, dass sich die beiden Parteien, die das Land seit 1974 regieren (Pasok, Mitte-Links, und Nea Dimokratia, Mitte-Rechts, Anm.) auflösen. Im Mai, während der ersten Wahl, haben diese Parteien, die davor stets 80 Prozent hatten, zusammen nur noch 33 Prozent erreicht. Bei der zweiten Wahl im Juni erhielten sie 42 Prozent - und das nach einer Kampagne, die Syriza vorwarf, Griechenland aus dem Euro kicken zu wollen. Syriza erhielt 27 Prozent und wurde größte Oppositionspartei.
Dieser Wähleraufstand zeigt einen langsamen, aber unaufhaltsamen sozialen Wandel. Immer mehr Griechen erkennen, dass Korruption, Skrupellosigkeit und Klientelwirtschaft, die vier Jahrzehnte lang gepflegt wurden, verantwortlich für den gegenwärtigen Bankrott sind - nicht nur wirtschaftlich, auch politisch und sozial. Der Wandel vollzieht sich nicht von heute auf morgen, aber wir erhalten sehr ermutigende Signale aus der Bevölkerung.
Zur Person
Rena Dourou wurde in Aegaleo (Athen) geboren, hat in Griechenland, Frankreich, Türkei und England Pädagogik studiert. 1995 trat sie dem Synaspismos bei, der jetzt Teil der aus zwölf linken Bewegungen formierten Syriza-Koalition ist. Dort ist sie für Europäische Politik zuständig.