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Gewaltausbruch mit Ansage

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Die anti-arabischen Exzesse in Korsika sorgen in ganz Frankreich für Beunruhigung. Doch schon seit Monaten warnen Menschenrechtler vor einem Erstarken des Rassismus auf der Ferieninsel.


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Ajaccio/Paris. Die Feuerwehr gilt als respektierte Institution auf Korsika. Wer sie angreift, trifft ein starkes Symbol. Doch wie dieses Symbol auf der französischen Mittelmeer-Insel zuletzt verteidigt wurde, hat in ganz Frankreich für massive Beunruhigung gesorgt: Die korsische Hauptstadt Ajaccio wurde mehrere Tage lang von Gewalt-Exzessen erschüttert, immer wieder schallten anti-arabische Parolen durch die Straßen.

Ausgelöst wurden die Ausschreitungen vom gezielten Angriff einer Gruppe Vermummter in der Nacht vom 24. Dezember auf Feuerwehrleute im Stadtviertel Jardins de l’Empereur, das als sozialer Brennpunkt mit hoher Armut und Arbeitslosigkeit gilt und in dem überwiegend Einwanderer aus Nordafrika leben. Die Unruhestifter hatten zunächst ein Feuer gelegt, um die Beamten anzulocken. Dann bewarfen sie sie mit Steinen und gingen mit Eisenstangen und Baseballschlägern auf sie los. Zwei Feuerwehrmänner und ein Polizist wurden verletzt. "Dreckige Korsen, verschwindet aus unserem Viertel", sollen die Täter gerufen haben. Bürgermeister Laurent Marcangeli zufolge handelte es sich um "einige Gauner, die seit Jahren Probleme machen".

Aus Empörung über den Angriff versammelten sich an den Folgetagen rund 600 Menschen zu einem spontanen Protestzug in der Innenstadt. Sie schwenkten die korsische Fahne und riefen Hass-Slogans wie "Araber raus" und "Wir sind hier zu Hause" - eine Parole, die eigentlich von Anhängern der rechtsextremen Front National skandiert wird. Bis zu 300 Protesteilnehmer zogen im Anschluss weiter in die Siedlung Jardins de l’Empereur, wo einige von ihnen einen muslimischen Gebetssaal verwüsteten, Koran-Ausgaben anzündeten, den Eingang einer Döner-Imbissbude und mehrere Autos demolierten.

"Die Araber wollen sich nicht integrieren, sie werden auf unserem christlichen Boden immer fremd sein", rechtfertigte ein anonym bleiben wollender Mann den Ausbruch der Gewalt in den französischen Medien. "Viele werden uns nun als Rassisten bezeichnen, während wir uns einfach nur vor der französischen Ghetto-Bildung schützen wollen." Noch am Wochenende wurden zwei 19 und 20 Jahre alte Männer im Zusammenhang mit den Krawallen festgenommen. Außerdem leitete die Staatsanwaltschaft von Ajaccio zwei Ermittlungsverfahren ein.

Ein Aufgebot von rund 300 Sicherheitskräften und ein noch am Sonntag verhängtes Demonstrationsverbots soll nun verhindern, dass die Situation auf der idyllischen Ferieninsel weiter eskaliert. Die Beunruhigung über den Gewaltausbruch reicht bis in die französische Hauptstadt. Innenminister Bernard Cazeneuve verurteilte "mit größter Schärfe die nicht tolerierbaren Ausschreitungen, die nach Rassismus und Ausländerhass stinken". Schon seit Monaten warnt die Liga der Menschenrechte vor erstarkendem Rassismus in Korsika nach einer "Serie von Zwischenfällen, bei denen es gegen Ausländer ging, vor allem, wenn sie Araber und Muslime sind".

"Für Korsika" distanziert sich

Auch Gilles Simeoni, Chef der Unabhängigkeits-Bewegung "Pè a Corsica" ("Für Korsika") erklärte, es handle sich um "rassistische Akte, die dem Korsika, das wir wollen, komplett widersprechen". Simeonis Autonomie-Initiative wurde bei den Regionalwahlen vor zwei Wochen stärkste Kraft im Regionalparlament in Korsika, dem einzigen französischen Wahlbezirk, in dem die Front National die zweite Runde nicht erreicht hat. "Pè a Corsica" siegte mit dem Versprechen, die korsischen Interessen gegenüber der Zentralregierung in Paris besser durchzusetzen und die Insel vom "Kolonialsystem" zu befreien.

Simeoni hatte in den 90er Jahren als Rechtsanwalt den radikalen Nationalisten Yvan Colonna verteidigt, der wegen Mord am französischen Präfekten Claude Erignac zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. In der Rede zu seinem Amtsantritt lobte er aber das "offene, brüderliche und solidarische" korsische Volk, das jeden unabhängig von seiner Herkunft, Religion oder Hautfarbe integrieren wolle, "so wie es das seit Jahrhunderten tut". Die jüngsten Ausschreitungen sprechen allerdings eine andere Sprache.