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Gewalttäter kriegen von Männern die rote Karte

Von Heike Hausensteiner

Politik

Die "MännerBeratung" in Wien kümmert sich um orientierungslose sowie um gewalttätige und mißbrauchende Männer und deren Opfer. Das im Gewaltschutzgesetz vorgesehene Wegweiserecht durch die | Exekutive wird als zu kurzfristig kritisiert.


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Ein Fußballer zeigt einem gewalttätigen Mann die rote Karte. Das Plakat, das in einer Münchner Ordination hängt, könnte auch in Österreich die Aufmerksamkeit auf sich lenken, wünscht sich Jonni

Brem von der MännerBeratung. Die größte Beratungsstelle in Sachen Männerarbeit im deutschsprachigen Raum ist in Wiens Arbeiterbezirk Favoriten zu Hause. Die ursprüngliche Basisinitiative wird diesen

Monat 15 Jahre alt, berichtet Jonni Brem im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Zehn hauptamtliche Männer (Psychologen, Mediziner, Juristen) beraten Männer in rechtlichen Belangen (nach einer

Ehescheidung, zur Situation am Arbeitsplatz usw.), in sozialen Fragen (wie Depressionen) oder zur Männlichkeit und deren Rolle in der Gesellschaft sowie bei sexuellen Störungen. Seit sieben Jahren

wird auch gewalttätigen und sexuell mißbrauchenden Tätern und den Opfern Beratung und Therapie angeboten. Denn im Vergleich zu den Mädchenberatungsstellen gibt es für männliche Opfer von Gewalt kaum

Anlaufstellen.

Umfassende Täterarbeit

Männerberatung ist hier auf die Täterarbeit fokussiert: Gewalttätige, die meist von den Interventionsstellen "überwiesen" werden · freiwillig kommen nur rund 20 Prozent ·, sollen den Hintergrund

ihrer Tat pädagogisch aufarbeiten. In diesem Punkt geht Jonni Brem das Gewaltschutzgesetz, das seit zwei Jahren in Kraft ist und das Wegweiserecht von gewalttätigen Männern und das Rückkehrverbot

vorsieht, nicht weit genug. Wiewohl das Wegweiserecht viel gebracht habe (betroffene Frauen und Kinder müssen nicht mehr aus der Wohnung des Mannes in Frauenhäuser flüchten, sondern gehen muß jetzt

der Täter), seien weitere Verbesserungen notwendig, sekundiert der Psychologe die von SPÖ-Seite diagnostizierten "Schwachstellen" im Gesetz. Daß weggewiesene Männer gezwungen werden, sich mit ihrem

Gewaltpotential auseinanderzusetzen · "diesen Druck brauchen sie", denn die Schuldeinsicht bleibe vielfach aus ·, scheitere bisher am rechtlichen Modell und an der Finanzierung. Hilfestellung sollte

zumindest bei der Wohnungssuche gewährleistet werden.

Positive Männlichkeit

Das sozialtherapeutische Modell der MännerBeratung hat einen autoritären Ansatz, bei dem auch mit Sanktionen (verpflichtende Therapiesitzungen) gearbeitet wird. Nicht Neurosen werden therapiert,

sondern Opfer, Familie und Lehrer (bei Jugendlichen) werden in die Aufarbeitung des Falles einbezogen. Männlichkeit soll nicht bekämpft, sondern positiv vermittelt werden.

Ziel ist es, den Tätern eine Art "Erste-Hilfe-Koffer" als Anleitung mitzugeben, wie Mann anders reagieren kann, als etwa im Affekt zuzuschlagen. Projekte an Schulen, Berichte über Männerarbeit an

Volkshochschulen sind ebenfalls Teil der Präventionsarbeit, die die MännerBeratung leistet.

Soziologisch gemischt

35- bis 40jährige bilden die größte Gruppe der Ratsuchenden, ein 12jähriger war bisher der Jüngste, 92 Jahre alt der Betagteste. Das soziologische Profil der Klienten erstreckt sich vom mittleren

Angestellten (Gehalt zwischen 40.000 und 50.000 Schilling) bis zum Obdachlosen. Daß unter ihnen weniger Akademiker als Arbeiter und Angestellte sind, führt die MännerBeratung auf ihre geographische

Lage in der Bundeshauptstadt zurück. Zudem sind die Therapien sozial gestaffelt, und Klienten der "gehobenen" Schicht würden sich vor der Justiz rhetorisch besser behaupten, nimmt man an.

Ausländische Männer suchen ebenso Hilfe · nicht jedoch in punkto Väterberatung, Fragen zu Sexualstörungen oder Scheidung. Das habe kulturpolitische Gründe, meint Psychologe Brem.

1.500 Männer kontaktieren pro Jahr mindestens einmal die Beratungsstelle. Seit 1995 gibt es ähnliche Einrichtungen in Innsbruck, Graz, Linz, Klagenfurt und Salzburg. Einen noch größeren Zulauf kann

die von der Stadt Wien subventionierte MännerBeratung kaum mehr bewältigen.

Gewalt fasziniert Jugendliche. Daher solle nicht "missionarisch" dagegen gewettert werden. Sondern wichtig sei die Sensibilisierung dahingehend, wie Gewalt auf Betroffene wirke. Brem appelliert um

eine achtsame zwischenmenschliche Beziehung. "Es kann nicht sein, daß man mit Gewalt leben lernt." Gewalttätern müsse die Rückendeckung entzogen werden. In diesem Punkt seien auch die männlichen

Geschlechtsgenossen gefordert.

MännerBeratung, Tel. 01/603 28 28, http://www.maenner.at