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Militär plant weiteren Einsatz an Grenze zum Irak. | Demokratische Lösung für Kurdenproblem wird immer schwieriger. | Ankara. Von der viel beschworenen "demokratischen Öffnung" war nicht die Rede. Als am Montag die türkische Staats- und Militärspitze zur Krisensitzung im Präsidentenpalast zusammenkamen, sprachen sie nicht darüber, wie das Kurdenproblem mit mehr sozialen und kulturellen Rechten zu lösen sein könnte. Vielmehr beschlossen sie militärische Maßnahmen. So sollen zusätzliche Truppen in den Osten der Türkei entsandt werden. Dort, an der Grenze zum Irak, werden sie gegen die Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgehen.
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Dieser Kampf hat am Wochenende das Leben von zwölf Soldaten gekostet - und mindestens genauso vieler PKK-Rebellen. Mit der Angabe genauer Zahlen hält sich die Armee zurück, doch sind in den Zusammenstößen zwischen Militär und PKK in den vergangenen Monaten mehr als hundert Menschen getötet worden.
Kriegerisch fiel daher die Rhetorik von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach den jüngsten Angriffen aus: Die Terroristen würden in ihrem eigenen Blut ertränkt werden, erklärte er. Die Nationalistenpartei MHP forderte gar die Verhängung des Kriegsrechts in Südostanatolien, das dort teilweise noch vor zehn Jahren gegolten hat.
Unerfüllte Hoffnungen
Die Kämpfe im Osten des Landes haben sich in den vergangenen Wochen verschärft. Auch versucht die türkische Armee immer wieder, in den Nordirak vorzudringen, wo sie Rückzugslager der PKK vermutet. Eine Bodenoffensive im Nachbarland erweist sich allerdings als weit schwieriger denn die Angriffe mit Kampfhubschraubern aus der Luft. Politisch brisant wäre sie allemal.
Die PKK hat bereits angedeutet, dass sie den Waffenstillstand aufgekündigt hat. Ob sie jedoch für ein eigenständiges Kurdistan oder lediglich Autonomie der von Kurden bewohnten Gebiete kämpft - darüber gehen mittlerweile die Meinungen auseinander.
Premier Erdogan jedenfalls sieht die Pläne der Regierung torpediert, den Millionen Kurden im Land mehr Minderheitenrechte einzugestehen. Die im Vorjahr groß angekündigte "demokratische Öffnung" hat aber auch davor die Erwartung vieler Betroffener nicht erfüllt. Kurdisch-Unterricht an Schulen gibt es noch immer nicht; Jugendliche werden zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt, weil sie Steine auf Polizisten geworfen haben; eine prokurdische Partei wurde im Vorjahr aufgelöst.
Einige kreiden es der Regierung an, dass diese nicht Abdullah Öcalan in die Friedensbemühungen miteinbezogen hat. Der inhaftierte einstige Anführer der PKK genießt trotz seiner Isolation auf einer Gefängnisinsel noch immer den Respekt etlicher Kurden.
Doch auch einige Menschenrechtsaktivisten sehen als unumgänglich an, was für Ankara derzeit noch ausgeschlossen ist: Gespräche mit der - von der Türkei und ebenso der EU - als Terrororganisation bezeichneten PKK zu suchen. Und soziale sowie wirtschaftliche statt kriegerische Akzente zu setzen. Denn das Militär hat den Konflikt auch im vergangenen Vierteljahrhundert nicht lösen können.