Bittner: Jede andere Regierungsform wäre kurzfristig. | Gusenbauers Trennung zwischen ÖGB und Partei findet immer mehr Anklang. | Wien. Hoffnungsfroh und wehmütig waren die Gewerkschafter der Druck, Journalismus, Papier (DJP) am Donnerstag bei ihrem Gewerkschaftstag. Weniger, weil sie mit dem derzeitigen Poker um die Regierung nicht einverstanden sind, sondern vielmehr weil für sie durch die Fusion mit der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) eine 164jährige Geschichte endete.
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Dennoch machte man sich in den Pausen so seine Gedanken, wie es denn in der Regierung weitergehen könnte. Franz Bittner, der seit gestern nur noch stellvertretender Vorsitzender der nunmehrigen GPA-DJP ist, zeigte sich gegenüber der "Wiener Zeitung" nach wie vor als "Befürworter einer großen Koalition". Jede andere Form wäre eine "kurzfristige Angelegenheit, wo vom ersten Tag an der Wahlkampf weitergeführt wird". SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer habe gesagt, seine erste Option sei eine große Koalition. "Dann sollte man sich auch bemühen, dieses Ziel zu erreichen - natürlich ohne seine Prinzipien aufzugeben", spielte Bittner den Ball an seinen Parteivorsitzenden. In den Bedingungen der ÖVP zur Rückkehr an den Verhandlungstisch sieht Bittner keine unüberwindbaren Hürden. Ein anderes Szenario ergäbe sich für ihn, wenn der Verfassungsgerichtshof für seine Entscheidung über die Wahlanfechtung der KPÖ zu lange Zeit bräuchte. Damit wäre eine abgewählte Regierung zu lange im Amt. "Da wäre es sinnvoll, eine Minderheitsregierung anzudenken. Mit der Option, später einen Partner dazu zu nehmen ohne neu wählen zu müssen."
"Beide haben den Auftrag der Wähler auszuführen. Dass sich einer zurückzieht, ist nicht in Ordnung", meint etwa der Expeditarbeiter Robert Schatz (FSG). Er wünscht sich ein "Ende der Wadlbeißerei" und dass sowohl Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als auch Gusenbauer ihr Verhandlungsmandat anderen überlassen, damit für das Land gearbeitet werden könne.
Auch der Christgewerkschafter Herbert Surböck hofft, dass "die Scheingespräche" durch ernsthafte Verhandlungen ersetzt werden. "Man kann nicht so lange wählen lassen, bis das Ergebnis herauskommt, das man will."
Befürworter einer Minderheitsregierung ist Alexander Weber vom Gewerkschaftlichen Linksblock. "Es ist offensichtlich, dass die ÖVP nicht will. Da wäre es sinnvoll, jetzt eine Minderheitsregierung einzugehen." Falls sich nach dem VfGH-Urteil ein neuer Mandatsstand ergäbe, könnte man Rot-Grün versuchen.
Verziehen scheint unterdessen Gusenbauers Trennung zwischen Partei und Gewerkschaft. "Das war ein Schlag ins Gesicht der Basis. Aber mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt", sagt der Traiskirchener SPÖ-Gemeinderat Toni Kladler.