Caracas - Mit unerbittlicher Hartnäckigkeit kämpft Carlos Alfonso Ortega für ein einziges Ziel: den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez aus dem Amt zu zwingen. Bereits zum vierten Mal in nur einem Jahr rief der Chef des sozialdemokratischen Gewerkschaftsdachverbandes CTV dafür gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden den Generalstreik aus. Die Opposition will den linksnationalistischen Staatschef so lange unter Druck setzen, bis er einem Volksentscheid über seinen Amtsverzicht zustimmt. Seit vergangenen Montag meldet vor allem die Erdölbranche massive Arbeitseinschränkungen.
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Was Demonstrationen und Protestaktionen angeht, bringt Ortega reichlich Erfahrung mit. Bereits in den 50er Jahren führte er in seinem Heimat-Bundesstaat Falcón die Studentenproteste gegen den damaligen Diktator Marcos Pérez Jiménez (1952 - 1958) an. Nebenher studierte er Jus und finanzierte sich sein Studium als einfacher Arbeiter in der Ölbranche. Noch während seiner Uni-Zeit trat er der sozialdemokratischen Partei Acción Democrática (AD) bei. Das Studium gab er bald auf und machte dafür in den Gewerkschaften des Erdölsektors Karriere. Während der Regierungszeit des Christdemokraten Rafael Caldera saß Ortega als Abgeordneter für die Acción Democrática im Parlament.
Als Chávez dann vor vier Jahren an die Macht kam, ging Ortega wieder in die gewerkschaftliche Opposition zurück. Als Chef des Verbandes der venezolanischen Öl-Arbeiter (Fedepetrol) organisierte er bald darauf zwei kleinere Streiks für mehr Lohn. Vor allem der zweite der beiden Arbeitsausstände rang dem populistischen Präsidenten unangenehme Zugeständnisse ab. Ortega katapultierte sich mit diesem Erfolg an die Spitze der CTV. Bei der Wahl zwischen ihm und dem offiziellen Kandidaten Aristóbulo Iztúriz, der heute Bildungsminister in Chávez' Kabinett ist, gewann der erfahrene Arbeitskämpfer 80 Prozent der Stimmen.
Seit vergangenen Montag gehen nun wieder tausende Menschen auf die Straßen, um den umstrittenen Staatschef zum Amtsverzicht zu drängen. Am Mittwoch räumte Chávez bereits ein, durch die massiven Streiks könne es zu Verzögerungen bei den Öllieferungen kommen. Klein beigeben will der Ex-Militär und selbsternannte "Soldat des Volkes" dennoch nicht: Es seien jede Menge Sicherheitskräfte abgestellt worden, die dafür sorgen würden, dass die Ölbranche nicht komplett lahmgelegt würde, droht er. Wie lange er dem Druck standhalten kann, ist allerdings fraglich. Der zweite Generalstreik im April dieses Jahres führte zu blutigen Straßenkämpfen, bei denen Dutzende Menschen getötet wurden, - und zur vorübergehenden Entmachtung des Präsidenten. Chávez kam nach zwei Tagen wieder an die Macht; das Land kommt seitdem allerdings nicht mehr zur Ruhe.