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Es ist so weit: Michael Ludwig soll Michael Häupl ablösen. Damit geht zweifellos eine Ära zu Ende. Bürgermeisterwechsel finden in Wien schließlich nicht alle paar Jahre statt. Und nach fast einem Vierteljahrhundert darf man schon von einer Ära sprechen. Allerdings eine Ära, die am Ende vielen schon zu lange gedauert hat - nicht nur den politischen Mitbewerbern. Nicht wegen Häupls langer Amtszeit, sondern eher wegen Häupls fehlendem Mut zur Veränderung in Personalfragen gegen Ende seiner Amtszeit. Wegen fehlenden Mutes, auf den Tisch zu hauen, wie es sich oft viele von ihm erwartet hätten. Am Ende war es allen zu viel "more of the same" - ein Anglizismus, den Häupl selbst oft gerne verwendete. Und genauso selbst entlarvend wie sein Lieblingszitat: "Über die Brücke gehen wir erst, wenn wir vor ihr stehen." Denn oft hatte man seit der letzten Wien-Wahl das Gefühl, dass für Häupl der Weg das Ziel war (um hier noch einmal ein Sprichwort zu beanspruchen). Der Weg zur Brücke. Welche das auch immer gewesen sein mag.
Jetzt übernimmt jemand das Amt des Wiener Bürgermeisters, der auch etwas mit Brücken machen will: Er hat angekündigt, welche bauen zu wollen. Gemeint hat er zwar jene innerhalb der Bevölkerung: Brücken zwischen Arm und Reich, zwischen autochthonen Wienern und Menschen mit Migrationshintergrund. Dringend notwendig werden aber auch innerparteiliche Brücken sein, um den alten Karl-Schlögl-versus-Caspar-Einem-Konflikt endlich beiseitelegen zu können; "rechten" und "linken" Parteiflügel wieder in die Waage zu bringen. Das heißt aber auch, sich ein wenig vom grünen Farbspektrum entfernen zu müssen. Und nicht mehr alles kategorisch auszuschließen, was von FPÖ- und ÖVP-Seite kommt. Denn auf dieser Seite befinden sich mehr potenzielle SPÖ-Wähler als auf der anderen - und das, obwohl Rot-Grün als erfolgreiches Wiener Gegenkonzept zu Türkis-Blau gilt. Tatsächlich baut Ludwig derzeit sozusagen mehr Brücken ins Schwarze als ins Grüne. Brücken, die zum Spagat werden. Ein Spagat, den man Ludwig aber zutraut, zumal man ihm nachsagt, dass er sich nie gerne festlegt und gleichzeitig ein gewiefter Stratege ist.
"Von Ludwig wirst du zu Tode umarmt", sagt etwa ein ÖVP-Mandatar über den neuen Wiener Bürgermeister. Ludwig sei ein guter Zuhörer und führe Menschen zusammen - das seien seine größten Stärken. Und dass er getroffene Entscheidungen konsequent umsetze. An rhetorischer Schlagkraft und überzeugender Körpersprache müsse er hingegen noch arbeiten, meinen Experten. "Aber Ludwig lernt schnell", meinen Beobachter. Michael Häupl ist auch erst nach seiner ersten Wahlniederlage 1994 richtig in Fahrt gekommen.