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Es ist eine etwas seltsame Situation. Sechs Wochen vor der Nationalratswahl wird nicht darüber diskutiert, ob am 15. Oktober Christian Kern oder Sebastian Kurz als Erster durchs Ziel gehen wird, sondern ob sich neben Schwarz-Blau auch eine Koalition aus ÖVP, Neos und Grünen ausgehen könnte. Tirols Landeshauptmann Günther Platter warnte denn auch gleich vor Übermut - mit Verweis auf 2006, als die ÖVP unter Wolfgang Schüssel einen sicher geglaubten Wahlsieg am Ende noch verspielte. Die Voraussetzungen 2017 sind allerdings andere. Kurz und sein Umfeld haben es geschafft, die Landesparteien "ruhigzustellen". Tatsächlich bietet die ÖVP ein geschlossenes Bild.
Genau umgekehrt geht es der SPÖ. Sie profitierte bei früheren Wahlen von ihrer Geschlossenheit beziehungsweise der Zerrissenheit der ÖVP. Nun muss sich Kern mit allerlei landespolitischen Seltsamkeiten herumschlagen. So hätte sich Michael Häupl seine ohnehin bereits getätigte Rücktrittsankündigung nicht nur sparen, sondern auch danach wenigstens schweigen können. Mit dem Satz, er verstehe die Aufregung nicht, führt er die Debatte sogar selber noch fort. Statt sich auf den Wahlkampf zu konzentrieren, muss sich nun die Wiener SPÖ mit Nachfolgespielchen beschäftigen, was Kerns ohnehin geringe Siegeschance weiter drückt. Häupl meinte auch, eine Koalition der SPÖ mit der FPÖ werde weiterhin nicht gewünscht. Die SPÖ-Gewerkschafter halten sich indes nobel zurück, während ÖVP-Teilorganisationen Kurz hervorheben, wo es nur geht.
Eine seltsame politische Gemengelage hat sich da herauskristallisiert: mit in zwei Teile getrennten Grünen und einer FPÖ, die sich dem Vernehmen nach im verbleibenden Wahlkampf vor allem in Wien auf die SPÖ einschießen wird.
Es ist mittlerweile keine allzu gewagte Prognose zu behaupten, dass sich nach dem 15. Oktober vieles verändern wird in Österreich. Neos-Chef Matthias Strolz spekuliert schon auf eine mögliche Mandatsmehrheit für ein Bündnis mit ÖVP und Grünen. Kurz muss eigentlich gar nicht viel tun, sein Wahlprogramm gerät zur Nebensache. Er kann dem medialen Spielchen über mögliche Koalitionsvarianten erste Reihe fußfrei zuschauen. Auf der Strecke bleiben dabei politische Inhalte. Denn mehr noch als Koalitionsvarianten zu betrachten, wäre es für das Land günstig zu wissen, was sich denn ab 16. Oktober wirklich verändern soll.