Die Bawag-Affäre ist zur politischen Bombe geworden. | ÖGB-Chef Verzetnitsch ist schwer angeschlagen. | Am Freitag hat Bawag-Aufsichtsratspräsident und ÖGB-Finanzchef Günter Weninger die Bombe platzen lassen: Als die Bank im Jahr 2000 am Rande der Insolvenz stand, sprang der ÖGB in die Bresche und haftete unter anderem mit dem sagenumwobenen Streikfonds. Diese Entscheidung wurde von Weninger in Absprache mit ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch getroffen.
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Die wirtschaftliche Affäre hat damit auch eine innenpolitische Dimension erreicht, die weit über die Auseinandersetzung hinausgeht, inwieweit dubiose Spekulationsgeschäfte in der Karibik mit dem ÖGB-Image vereinbar sind. Und es ist Verzetnitsch, der in den kommenden Tagen und Wochen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen wird. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass ÖVP, BZÖ, FPÖ und wohl auch die Grünen die Affäre im eigenen Interesse verwenden werden.
Die Kritik von der Konkurrenz hat noch keinen ÖGB-Präsidenten ins Wanken, geschweige denn zu Fall gebracht. Dazu bedarf es schon der Mithilfe aus den eigenen Reihen. Und das Schweigen der mächtigen Gewerkschaftsbosse am gestrigen Freitag, als die Hiobsbotschaft verkündet wurde, lässt für Verzetnitsch nichts Gutes ahnen. Nur der Gewerkschaftschef der Gemeindebediensteten, Rudolf Hundstorfer, gab eine Solidaritätserklärung für den angeschlagenen Präsidenten ab. Der große Rest zog bedrohliches Schweigen als Antwort vor. Ob der 60-jährige Verzetnitsch, der seit 19 Jahren an der Spitze des ÖGB steht, im Herbst 2007 ein weiteres Mal antritt, ist damit äußerst unwahrscheinlich geworden.
Zuvor muss er jedoch den ÖGB vor einer Zerreißprobe bewahren: Dass Weninger und Verzetnitsch - im Alleingang und ohne das Präsidium zu informieren- den Streikfonds für Bawag-Haftungszwecke herangezogen haben, lässt in der Gewerkschaft die Wogen hochgehen. So kann man auch in einem privatrechtlichen Verein, der der ÖGB seinen Statuten gemäß ist, nicht mit Geld umgehen - schon gar nicht, wenn es sich um Milliarden handelt und diese von den Hunderttausenden Mitgliedern stammen.
Zu guter letzt bedeutet die nunmehr zu Tage gekommene Dimension der Bawag-Affäre auch eine schwere Hypothek für die SPÖ im heurigen Wahljahr. Die personellen und institutionellen Verflechtungen mit dem ÖGB sind viel zu eng, als dass der Glaubwürdigkeitsverlust nur auf letzteren beschränkt bleiben könnte.
Nicht nur, dass Verzetnitsch nun endgültig für höhere Weihen - Stichwort Vizekanzler in einer schwarz-roten Koalition, obwohl das ohnehin nie sehr wahrscheinlich war - ausfallen dürfte; es ist auch zu erwarten, dass der Mitgliederschwund beim ÖGB ungebremst weiter geht. Zur spezifisch österreichischen Form der Demokratie gehören aber zwei starke Sozialpartner. Deren Gleichgewicht wäre dann gefährdet.