Sich an einen neuen Partner zu gewöhnen, fällt oft schwer - in der Politik wie auch im richtigen Leben.
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Früher war alles besser. Das scheint sich derzeit auch der Präsident der Wirtschaftskammer (WKO), Christoph Leitl, zu denken. Dabei geht es gar nicht um die Weltuntergangsstimmung an der Wirtschaftsfront, die fürwahr Anlass genug wäre, mit dem Schicksal zu hadern. Als wäre diese Unbill nicht genug, führt der WKO-Chef im kleinen Kreis auch noch Klage, dass die liebgewonnene Achse zum sozialpartnerschaftlichen Vis-a-Vis, dem ÖGB, nicht mehr so harmonisch funktioniere wie in alten Tagen.
Tatsächlich hat mit dem neuen ÖGB-Präsidenten Erich Foglar als Nachfolger des zum Sozialminister auf- (oder ab-)gestiegenen Rudolf Hundstorfer ein neuer politischer Stil in der Gewerkschaftszentrale Einzug gehalten. Und der Neue legt ganz offensichtlich Wert auf eine größere Distanz zum einstigen Klassenfeind. Zumindest offiziell gab es seit der Bestellung Foglars zum ÖGB-Präsidenten am 1. Dezember noch keinen gemeinsamen öffentlichen Auftritt der beiden.
Unter Hundstorfer war das noch ganz anders, er und Leitl wirkten fast schon wie siamesische Zwillinge, so demonstrativ eng abgestimmt war in den allermeisten Fragen ihr Vorgehen. Dabei war ihr Verhältnis durchaus von einer gewissen Asymmetrie gekennzeichnet, wie der Politologe und Sozialpartner-Experte Emmerich Tálos erklärt. Hundstorfer musste den ÖGB in seiner schwersten Krise übernehmen, die Bawag-Affäre drohte die Gewerkschaft mit in den Abgrund zu reißen und in der SPÖ unter Alfred Gusenbauer hatten die roten Gewerkschafter auch kein Leiberl.
In dieser Situation stärkte vor allem Leitl dem darniederliegenden ÖGB den Rücken, der Wirtschaftskämmerer fürchtete um die Zukunft der Sozialpartnerschaft, sollte ihm der Partner abhanden kommen. Hundstorfer stand deshalb in Leitls Schuld, auch wenn das natürlich öffentlich niemals ausgesprochen wurde.
Das Verhältnis zwischen WKO und ÖGB ist traditionell äußerst eng, sieht man von gelegentlichem, aber wohlkalkuliertem Theaterdonner für die eigene Klientel ab. Persönliche Freundschaften wie jene zwischen Rudolf Sallinger und Anton Benya blieben dennoch die Ausnahme.
Aus der Rolle fällt diesbezüglich lediglich das ziemlich kühle Verhältnis zwischen Leopold Maderthaner und Fritz Verzetnitsch. Um nun aber sogleich dem Mythos von der weinseligen Verhaberungskultur in Österreich entgegenzutreten: Laut Beobachtern pflegte Leitl sowohl mit Verzetnitsch als auch Hundstorfer das distanzierte "Sie". In den Anfangsjahren, zu Zeiten von Franz Dworak und Julius Raab beziehungsweise Johann Böhm und Franz Olah, spielte laut Tálos die persönliche Beziehungsebene noch keine große Rolle.
Aber zurück zur Gegenwart: Heute steht der ÖGB ungleich stärker da als noch vor kurzem. Unter Kanzler Werner Faymann ist der ÖGB wieder ins SPÖ-Machtzentrum zurückgekehrt und auch der Sozialminister ist wieder ein roter Gewerkschafter.
Hinzu kommt, dass in der Krise der Stellenwert der Arbeitnehmer in der medialen Wahrnehmung steigt. Tálos hat allerdings Zweifel, ob damit auch eine erhöhte Durchsetzungskraft für Forderungen des ÖGB wie etwa die Erhöhung des Arbeitslosengeldes verbunden ist. Man wird sehen.