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Gezerre um den Reformvertrag

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Probleme bei Ratifizierung befürchtet. | Zitterpartie für niederländischen Premier um Referendum. | Brüssel/Den Haag. Noch feilen die Rechtsexperten am neuen EU-Reformvertrag. Am 19. Oktober sollen sich die Staats- und Regierungschefs auf die Endversion einigen. Doch klar wird bereits: Die wirkliche Herausforderung wartet wie beim gescheiterten Verfassungsvertrag bei der Ratifizierung. Am deutlichsten wird das in den Niederlanden und Großbritannien.


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Verzweifelt ringt der niederländische Premier Jan Balkenende um die Vermeidung eines weiteren Referendums zur EU-Reform. Nachdem ihm bereits der Staatsrat, das höchste Beratergremium des Kabinetts, den Sanktus gegeben hatte, stellte sich am Freitag auch seine Regierung hinter ihn: Der Vertrag soll ohne Volksabstimmung im Parlament ratifiziert werden.

Doch das muss davor erst noch über den Verzicht aufs Referendum abstimmen. Und schon da könnte es knapp werden. Denn lediglich auf die Voten der Christdemokraten von Balkenende kann sich der Premier offenbar verlassen. Schon die mit ihm in der Regierung sitzende Labour-Partei ist gespalten. Ihr sitzt noch der Schock der letzten Wahlen in den Knochen, bei der sie massiv Stimmen an die euroskeptischen Sozialisten verloren hatte.

Politisches Ende

Ebensowenig wollen die oppositionellen Liberalen und Grünen eine Volksabstimmung, wenn auch aus anderen Gründen: Beide stehen der EU positiv gegenüber. Doch bei einem neuerlichen Referendum besteht die reale Chance auf ein weiteres Nein zum Vertrag.

Das wäre das sichere politische Ende von Balkenende. Wenn er zum zweiten Mal einen EU-Vertrag unterzeichne, den das Volk dann ablehne, könne er das nicht politisch überleben, meinte ein Beobachter. Die Parlamentsabstimmung zum Referendum ist für diesen Herbst geplant, und könnte auch erst nach dem EU-Gipfel stattfinden.

Nur etwas weiter nördlich sieht sich Balkenendes britischer Kollege Gordon Brown einer breiten Front von Konservativen, Gewerkschaften und Liberalen gegenüber, die ein Referendum fordern. Vor allem die europafreundlichen Liberalen haben zuletzt zu einem bemerkenswerten Schachzug gegriffen: Eine Volksabstimmung für oder gegen die EU-Mitgliedschaft stehe an, verkündeten sie. Das Kalkül: Den Reformvertrag könnten die Briten erneut ablehnen, der EU-Austritt hätte jedoch keine Chance auf eine Mehrheit.