Kommissionschef Romano Prodi hat das Vorpreschen von sechs Nettozahlern der Union, wonach das neue EU-Budget auf dem gegenwärtigen Stand eingefroren werden solle, zurückgewiesen.
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"Wasser predigen, aber Wein trinken" - das, könnte man meinen, passiert derzeit in der EU. Einerseits wird vor den Gefahren eines "Europa von zwei Geschwindigkeiten" gewarnt. Andererseits beweist der Alleingang von Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Schweden und auch Österreich (die "Wiener Zeitung" berichtete), wie schnell sich gleichgesinnte Mitglieder innerhalb der Union finden und einen Alleingang initiieren.
In Brüssel wird der Brief als klare Retourkutsche an Madrid und Warschau aufgefasst. Beide Länder hatten sich den von Deutschland und Frankreich verlangten Veränderungen der Entscheidungsstrukturen im EU-Ministerrat widersetzt, beide sind bzw. werden große Nettoempfänger aus Brüsseler Töpfen.
Einen Zusammenhang mit der vorläufig gescheiterten EU-Verfassung wies Österreichs EU-Botschafter Gregor Woschnagg zurück. Das Schreiben sei bereits vor zwei Wochen vereinbart worden. "Das ist ein klares Signal an die Kommission, dass die verfügbaren Mittel begrenzt sind", präzisierte Lars Danielsson, Europa-Staatssekretär von Schweden - das die Initiative gestartet hat.
Wie berichtet, fordern die Regierungschefs von Österreich, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Schweden eine Deckelung des EU-Budgets auf ein Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Im Moment liegt der Maximalwert des Budgets bei 1,24 Prozent des BNE, von dem jedoch nur knapp nur Prozent bzw. 100 Mrd. Euro in Anspruch genommen werden.
Prodi gegen Deckelung
Kommissionspräsident Prodi erklärte, eine Deckelung sei unvereinbar mit der geplanten Erweiterung der Union. Mit einer Obergrenze von 1,0 Prozent des GNI könne die Union nicht die Dinge tun, die von ihr erwartet würden. "Wunder sind nicht meine Spezialität", spottete Prodi. Denn die sechs hätten sich in ihrem Schreiben zugleich dazu bekannt, die wettbewerbsfähigste Wirtschaft der Welt zu schaffen, die Grenzen besser zu sichern, die Einwanderung gemeinsam zu regeln und eine effiziente Außen- und Sicherheitspolitik zu schaffen. Außerdem wollten alle Mitgliedsländer mit den ärmsten Regionen solidarisch sein und die Agrarausgaben auf heutigem Niveau halten.
"Unverschämtheit eines Neulings, der nicht weiß, was sich gehört, ist ein betrüblicher Mangel an historischem Verständnis"
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat sich wiederum dafür ausgesprochen, die Ausgaben trotz der bevorstehenden Erweiterung auf dem heutigen Stand einzufrieren. "Man kann nicht gleichzeitig von einigen Mitgliedsländern verlangen, dass sie ihre Haushalte konsolidieren und Milliarden-Ausgaben einsparen und gleichzeitig von ihnen erwarten, dass sie Milliarden-Mehrausgaben für den EU-Haushalt aufbringen", sagte Verheugen gegenüber dem Deutschlandfunk.
Der Kommissar kritisierte das Verhalten Polens beim Verfassungsgipfel, widersprach aber zugleich anderen Kritikern, die den Polen "kleinliche materielle Dinge" als Motiv unterstellten. "Das einfach hinzustellen als die Unverschämtheit eines Neulings, der nicht weiß, was sich gehört, ist ein betrüblicher Mangel an historischem Verständnis", so Verheugen. Für Warschau sei das "eine Frage des polnischen Selbstverständnisses, wenn Sie so wollen, der Ehre" gewesen. Das habe etwas zu tun mit den traumatischen Erfahrungen Polens mit seinen Nachbarn.