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Ein uigurischer Journalist wurde in China zu 15 Jahren Haft verurteilt, weil er die Minderheitenpolitik der Behörden kritisiert hat.
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Diesmal wird man nichts von Gheyret Niyaz hören. Bei einem Bombenanschlag wurden am Donnerstag in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang 7 Menschen getötet, 14 weitere wurden verletzt. Der Attentäter war ein Uigure, also ein Vertreter jenes muslimischen Turkvolks in der autonomen Provinz, das schon lange für seine eigenständige Identität kämpft. Doch Niyaz wird dazu nichts sagen. Denn gesprochen hat er bereits vor ziemlich genau einem Jahr, nachdem Uiguren und Han-Chinesen aufeinanderkrachten.
15 Jahre Haft hat der Journalist dafür ausgefasst, dass er mit westlichen Kollegen über die blutigen Straßenschlachten mit fast 200 Toten - hauptsächlich Han-Chinesen - sprach. Er habe damit die nationale Sicherheit gefährdet, erklärten die Behörden; ein chinesisches Gericht gab ihnen letzten Monat recht.
Was genau also hat Niyaz gesagt, um eine Strafe zu erhalten, für die man in Österreich einen Mord begehen müsste (wobei die Haftbedingungen wohl etwas angenehmer wären)? Auf den ersten Blick erscheinen seine Erklärungen ausgewogen, ja geradezu inoffensiv gewesen zu sein. Er erklärte beispielsweise, dass hinter dem Aufstand die radikal-islamische - und in Deutschland verbotene - Organisation Hizb ut-Tahrir stehe. Allerdings sagte er auch, dass der Aufstand eine Folge der mangelnden Politik der Zweisprachigkeit der chinesischen Regierung in dem autonomen Gebiet sei. Auch der Export uigurischer Arbeiter nach Südchina, während Han-Chinesen dazu ermutigt werden, nach Xinjiang zu ziehen, führe zu der aufgeheizten Stimmung. Zudem kritisierte er die Art und Weise, wie die chinesischen Behörden den Vorfall gehandhabt hatten. An diesem Punkt hört sich für Peking der Spaß auf.
Während die aufständischen Uiguren beteuern, es gehe ihnen lediglich um die Gewährung ihrer Minderheitenrechte, sieht die chinesische Regierung in ihnen Separatisten und Terroristen. Mit den erwähnten Aussagen zur Minderheitenpolitik hat sich Niyaz aus Sicht der Behörden offenbar in die Reihen der Separatisten eingeordnet.
Politische Beobachter schätzen, dass die chinesischen Behörden an Niyaz ein Exempel statuieren wollten. Denn eigentlich gilt er als ausgewogener Journalist, der nicht davor zurückschreckt, beide Seiten anzugreifen, wo es ihm gerechtfertigt scheint, und ebenso in Schutz zu nehmen, wo er es für nötig hält. Das hat ihm sogar die Feindschaft von Uiguren, die ihn als zu Peking-lastig empfanden, eingebracht.
Mit der drakonischen Strafe will die Volksrepublik wohl anderen Journalisten, potenziellen Nachahmern und Aufständischen zeigen, dass sie in Bezug auf die Uiguren keinerlei Toleranz zu gewähren bereit ist und sogar Gemäßigte schwer bestraft, wenn sie von der offiziellen Linie abweichen.