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Dass so viele Mieter so hohe Mieten zahlen müssen, hängt damit zusammen, dass viele Mieter fast umsonst wohnen können. Gerecht ist das nicht.
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Dass SPÖ und Volkspartei unisono plötzlich das Problem hoher Mieten und teurer Wohnungen entdecken und - natürlich rein zufällig kurz vor den heurigen Nationalratswahlen - "leistbare Wohnungen" organisieren wollen, ist nicht unoriginell: Schließlich ist die Politik ja nicht ganz unbeteiligt an dem von ihr nun laut klagend aufgezeigten Missstand. Die Oppositionsparteien waren es ja nicht unbedingt, die seit Jahrzehnten einen immer dichter und undurchschaubarer werdenden Gesetzesdschungel beschlossen haben, der das Problem eher noch verschlimmerte, anstatt es zu lösen. Da schreien wohl wieder einmal die Brandstifter laut "Feuer" - und machen sich erbötig, es auch noch zu löschen. Das hat was.
Dabei ergibt sich hier möglicherweise zumindest partiell eine Lösung auf der Suche nach einem Problem. Denn nimmt man den Durchschnitt der etwa in Wien bezahlten Mieten, dann ergibt sich kein sonderlich dramatischer Befund: In vergleichbaren europäischen Städten müssen Mieter zum Teil erheblich mehr an die Hauseigentümer zahlen. Wien ist, was Wohnungsmieten betrifft, nicht wirklich besonders teuer.
Das freilich ist kein Trost für all jene, die dringend eine neue Wohnung suchen und feststellen, dass auch in Wien die Preise bei Neuvermietungen in den vergangenen Jahren erheblich angestiegen sind. Ein Widerspruch ist das nicht: Denn den jetzt sehr teuer neu vermieteten Wohnungen stehen wesentlich mehr Objekte gegenüber, deren ältere Mietverträge deutlich niedrigere Mieten beinhalten. Was ein im Durchschnitt noch immer vergleichsweise günstiges Preis-Niveau insgesamt ergeben kann.
Dabei wird von der Politik konsequent eine der zentralen Ursachen der hohen Mieten bei neuen Verträgen verdrängt: dass gerade in Wien noch immer sehr viele Wohnungen aufgrund der Mieterschutzgesetzgebung spottbillig vermietet werden (müssen). 90 Quadratmeter große Wohnungen in begehrten bürgerlichen Bezirken zu monatlich weniger als 100 Euro Miete sind keine exotischen Einzelfälle - und bewirken, dass dafür in dem entsprechenden Haus frei werdende Wohnungen natürlich dementsprechend teuer vermietet werden müssen, um dem Eigentümer zumindest eine magere Rendite zu bescheren.
Dass die einen schmerzhaft hohe (Neu-)Mieten berappen müssen, hängt also nicht zuletzt damit zusammen, dass die anderen praktisch umsonst wohnen können - und nicht daran denken, auf dieses "wohlerworbene" Recht zu verzichten.
Wollten die Regierungsparteien die durchschnittlichen Mietpreise erfolgreich und nachhaltig dämpfen, müssten sie deshalb als Allererstes mit diesem Unfug aufräumen. Einen Hauseigentümer im 21. Jahrhundert dazu zu zwingen, eine stattliche Wohnung für weniger als 100 Euro an ganz und gar nicht bedürftige Personen zu vermieten, hat mit Gerechtigkeit ungefähr so viel zu tun wie der Karl-Marx-Hof mit Schloss Neuschwanstein.
Dass dieses offenkundige Unrecht wohl auch die nächsten Nationalratswahlen überleben wird, ist nicht zuletzt einem Mangel an Courage der Regierenden zuzuschreiben. Den braucht es nun einmal, um in Österreich jemandem vermeintlich "wohlerworbene" Rechte zu nehmen.
ortner@wienerzeitung.at