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Gibt es eine grüne Zukunft?

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Und was braucht es dafür?


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Was wurde eigentlich aus den Grünen? Diese waren nach den desaströsen Entwicklungen der letzten Zeit, die in einer Wahlschlappe unerwarteten Ausmaßes und dem Ausscheiden aus dem Parlament kulminierte, in der Versenkung verschwunden. Letzte Woche meldeten sie sich erstmals mit einem Kongress zurück. Unter dem Titel "ZUkunftHÖREN" haben sie Mitglieder und Nicht-Mitglieder, Funktionäre und Außenstehende versammelt, um über Strategien zur grünen Zukunft zu sprechen. Und um, wie der Titel sagt, zuzuhören.

Solch ein Reflexions- und Konsolidierungsprozess kann nicht von der Frage ausgehen: Wie kommen wir wieder in den Nationalrat? Nicht, weil diese Frage nicht wichtig wäre. Sie ist sogar sehr wichtig, wenn man als Partei politisches Gewicht haben möchte. Aber diese Frage sollte am Schluss der Überlegungen stehen.

Vielleicht sollte man besser von dem Zorn ausgehen. Von dem Zorn, den so viele Leute auf die Grünen haben. Die sie als abgehoben, arrogant, dogmatisch bezeichnen. Woher rührt dieser Zorn? Von ihren Themen wohl kaum. In dem Zusammenhang wäre vielleicht eher ihr Verhältnis von Ideal und Realität zu überdenken.

Die Grünen haben zunehmend aus der Perspektive ihres Ideals - eines versöhnten Naturverhältnisses und einer befriedeten Gesellschaft - auf die Realität geblickt. So gesehen erscheint diese Realität als mangelhaft, als Defizit. Von Idealen auszugehen - wie triftig diese als Zielvorstellungen auch immer sein mögen -, wird zur Denunziation der Realität. Eine Denunziation, die die Leute dann als abgehobenen Moralismus erleben. Und ablehnen. Vielleicht brauchen die Grünen einen neuen Realismus. Einen Realismus, der von den Gegebenheiten ausgeht - um sie zu überschreiten. Einen Realismus, der bei den Problemlagen ansetzt - um sie zu verbessern. Von der Umweltzerstörung, über die soziale Ungleichheit, die Digitalisierung bis hin zum Illiberalismus. Einen Realismus, der auch von der bestehenden Bevölkerung ausgeht - und nicht von idealen Subjekten. Der die Menschen nicht als Defizit versteht. Neuer Realismus bedeutet also, die Ideale "mit der Realität zu verhandeln", so Peter Unfried.

Er bedeutet aber auch zu verstehen, was gerade los ist. Wenn die Grünen mit ihren Geldschwierigkeiten sich zu Silvester mit einem Video melden, um Haustiere vor Böllern zu schützen, dann greift man sich an den Kopf. Nicht, weil man für Böller und gegen Haustiere ist. Aber in einer Zeit, die politisch so akut ist, kratzt man sein Geld zusammen für dieses Thema?

Ich weiß nicht, was die grüne Zukunft sein könnte. Aber wenn es ihnen nicht gelingt, dort hinzugelangen, wo die gesellschaftlichen Probleme aufplatzen, dort, wo es akut ist, dann werden sie vielleicht gar keine Zukunft mehr haben.

Das ist jetzt keine Stunde Null wie damals in Hainburg. Das lebt nicht von den politischen Energien, die ein Aufbruch entwickelt. Da ist kein Überschuss. Keine Bewegung. Jetzt muss der stotternde Motor wieder angeworfen werden.

Beginnen könnte man da vielleicht mit ganz einfachen Fragen: Wie wollen wir leben? Wie wollen wir arbeiten? Wer wollen wir sein? Wie wollen wir zusammen leben? Und welche Sprache finden wir dafür?