Raiffeisen Bank International fährt Geschäft nach Rekordverlust massiv zurück - weniger Risiken, höhere Kapitalquote.
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Wien. Einst hat sie ihre Expansion im Osten Europas mit viel Elan betrieben. Jetzt sieht sich die börsenotierte Raiffeisen Bank International (RBI) gezwungen, mehrere Gänge zurückzuschalten. Nach dem ersten Verlust in ihrer Konzerngeschichte - 2014 bescherte ein Minus von 493 Millionen Euro - bläst die Bank mit dem Giebelkreuz-Logo nun zum Teilrückzug aus Osteuropa.
So sollen von ihren bisher 16 Ostmärkten zwei wegfallen: Polen und Slowenien. Die dortigen Tochterbanken werden verkauft. Daneben will RBI-Chef Karl Sevelda in der Ukraine, wo im vergangenen Jahr ein Verlust von 290 Millionen Euro anfiel und ein Verkauf der Banktochter Aval derzeit unmöglich ist, das Geschäft bis 2017 um 30 Prozent zurückfahren. Zuletzt war in dem Krisenland nahezu jeder zweite von Raiffeisen vergebene Kredit notleidend.
Risiken herausnehmen will Sevelda aber auch aus dem Geschäft in Russland. Dort sollen die Aktiva binnen drei Jahren um 20 Prozent geschrumpft werden. Russland war auch 2014 mit 342 Millionen Euro der größte Gewinnbringer für die RBI. Die Wirtschaftssanktionen und der Rubel-Verfall zwingen die Bank aber, sich dort "wärmer anzuziehen".
Ein Verkauf der Russland-Tochter kommt für Sevelda nicht infrage. "Wir bleiben in diesem Markt, so wie wir es damals in der Rubelkrise (1998/1999, Anm.) auch getan haben", betont der Raiffeisen-Banker.
Aufpolstern der Kapitaldecke
Der geplante Asset-Abbau umfasst auch den Verkauf einer kleineren Onlinebank in Tschechien. Zudem will die RBI bei ihrer Schrumpfkur Geschäftsaktivitäten in Randmärkten außerhalb Europas signifikant oder ganz zurückfahren - in den USA und in Asien, wo ein schiefgelaufener Deal in Singapur 2014 ein Minus von 236 Millionen Euro einbrockte. "Anders als Österreich und Osteuropa (wenn künftig auch in reduziertem Umfang, Anm.) gehören die USA und Asien nicht zu unserem Kerngeschäft", so Sevelda vor Journalisten.
Die harten Schnitte bei der RBI haben vor allem ein Ziel: Mit ihnen soll verhindert werden, dass sich mittel- bis langfristig bedrohliche Kapitallöcher auftun, die im gesamten Raiffeisen-Reich zu weiteren Verwerfungen führen könnten. Indem Familiensilber veräußert und risikoreiches oder unrentables Geschäft drastisch reduziert wird, will die Bank bis 2017 ungefähr eine Milliarde Euro Kapital freischaufeln. Zusätzlich soll ebenfalls zirka eine Milliarde Euro aus nicht ausgeschütteten Gewinnen kommen.
Unterm Strich soll die Kapitaldecke des RBI-Konzerns somit um rund zwei Milliarden Euro aufgepolstert werden. Geht es nach Sevelda, ist das ausreichend, um bis 2017 das Ziel einer harten Kernkapitalquote von zwölf Prozent zu erreichen. Diese Marke hätten die Regulatoren allen größeren Banken in Europa signalisiert. Per Ende 2014 hatte die RBI eine Kapitalquote von zehn Prozent.
Aktionäre müssen darben
Wenn von den künftigen Gewinnen mehr für den Kapitalaufbau einbehalten werden soll, bedeutet das, dass die Bank bei ihren künftigen Dividendenzahlungen kräftig sparen muss. Das wiederum heißt, dass von der RBI, der bisherigen Cashcow der Giebelkreuzer, viel weniger Geld durch Raiffeisens dreistufigen Bankensektor - von der Raiffeisen Zentralbank zu den Landesbanken und weiter zu den lokalen Raikas - fließen wird. Das wirtschaftliche Wohl des gesamten Sektors gilt in der Finanzbranche jedenfalls als stark von der RBI abhängig.
Die Bank werde ihre "Dividendenpolitik so ausrichten, dass unser Kapitalziel von zwölf Prozent nicht gefährdet wird", erklärt Sevelda. Fix ist auch, dass es für das Verlustjahr 2014 keine Dividende gibt. Es ist das erste Mal seit dem Börsengang der RBI (2005), dass die Aktionäre leer ausgehen.
Ob die Raiffeisen Bank International die Verlustzone heuer wieder verlassen wird, ist noch unklar. Einen Ausblick für das laufende Geschäftsjahr gibt Sevelda erst am 25. März (an diesem Tag wird auch die testierte Bilanz für 2014 vorgelegt).
Neben der Ukraine war für die RBI im abgelaufenen Jahr Ungarn der größte Verlustbringer. Das Minus belief sich auf 398 Millionen Euro. Obwohl die Ungarn-Tochter wegen massiver staatlicher Eingriffe bei Fremdwährungskrediten schon seit Jahren tiefrote Zahlen schreibt, hält Sevelda weiter an ihr fest: "Der ungarische Markt ist uns zu wichtig, um ihn aufzugeben." Die defizitäre Banktochter will der RBI-Chef nun weiter redimensionieren. Die eine oder andere Filiale soll entweder zugesperrt oder verkauft werden. In Zukunft will sich die RBI in Ungarn stärker auf das einträglichere Firmenkundengeschäft und das gehobene Privatkundengeschäft konzentrieren. Gleichzeitig sagt Sevelda allerdings auch: "Auf das Retail-Geschäft wird man nicht verzichten können."
Im Gegensatz zu seinem Chefkollegen in der Erste Group, Andreas Treichl, will er jedoch keine Partner als Mitaktionäre ins Boot der Ungarn-Bank holen: "Wir beabsichtigen nicht, eine Beteiligung des ungarischen Staates anzunehmen." Aus derzeitiger Sicht wolle er die Ungarn-Bank als hundertprozentige Tochter im Konzern behalten, so Sevelda.
RBI-Aktie mit Kurssprung
Unterdessen ist die RBI in Slowenien, wo es im Vorjahr einen kleinen Verlust von 25 Millionen Euro setzte, bereits mitten im Prozess des Verkaufs der dortigen Tochter. Laut Sevelda ist das Verfahren schon weit fortgeschritten. Auch für die zum Verkauf stehende tschechische Direktbank Zuno gebe es etliche potenzielle Käufer. Sevelda spricht von mehr als 20 Interessenten.
Den Verkauf der Polen-Tochter will die RBI in Kürze starten. Auch dieser Deal soll noch heuer durchgezogen werden. "Wir sind zuversichtlich, einen ordentlichen Preis zu erzielen", sagt Sevelda. "In Polen gibt es eine Fülle von Banken, die ausbauen wollen." Zurückziehen werde sich die RBI deshalb, weil es nicht gelungen sei, zu den Top-5 am Markt vorzustoßen.
An der Börse hat die RBI-Aktie am Dienstag deutlich zugelegt. Bis zum Handelsschluss kletterte ihr Kurs um mehr als sieben Prozent auf 12,20 Euro nach oben.