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Eine Bevorzugung ausgesuchter Medien "nach Gutsherrenart" bei Medienförderung und Inseratenvergabe ist nicht hinnehmbar.
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Seit vielen Jahren wird in Österreich über eine Reform der Medienförderung diskutiert. Auch die jetzt präsentierten Änderungen im Medientransparenzgesetz werden das Hauptproblem nicht lösen können: Mit der Vergabe von Inseraten versuchen Politiker, Wohlverhalten zu erkaufen und so die Berichterstattung zu beeinflussen. Die erste schwarz-blaue Regierung setzte sogar die Kündigung eines unbequemen Innenpolitik-Redakteurs einer Bundesländerzeitung durch, indem sie mit Anzeigenstopp drohte. Diese Mittelvergabe von Steuergeld "nach Gutsherrenart", wie es ein von Inseratenstornos betroffener Chef eines Zeitschriftenverlags nannte, gehört schleunigst abgeschafft. Denn diese schränkt auch eine Grundaufgabe der Medien als sogenannte vierte Macht im Staat - die Kontrolle der Regierung - auf unzulässige Weise ein.
Die Affäre um die Vergabe von Inseraten und ihre Vermischung mit gesteuerten Meinungsumfragen im Umfeld von Sebastian Kurz (ÖVP) beweist die Dringlichkeit für Reformen. Schon nach den umstrittenen Inseratenaufträgen durch Verkehrsminister Werner Faymann (SPÖ) wurde eine grundsätzliche Neuregelung versäumt. Im Vorjahr ging fast die Hälfte der Ausgaben der Bundesregierung für Print- und Online-Inserate an nur drei Boulevardzeitungen. Die Qualitätsblätter erhielten bloß ein Zehntel vom Kuchen.
Führende Juristen haben in ihrem vergangenen Sommer gestarteten Antikorruptionsvolksbegehren das Problem klar beschrieben: "Inseratenkorruption, politische Abhängigkeiten und (partei)politischer Druck auf Medien sind Gift für Demokratie und Rechtsstaat." Die Informationsarbeit der Ministerien und anderer öffentlichen Stellen sollte daher durch per Gesetz festgelegte personelle und budgetäre Höchstgrenzen geregelt werden, samt transparenter Veröffentlichungspflicht.
Die Association of European Journalists hat noch unter meiner Leitung eine Grundforderung aufgestellt: Man muss die bestehende Regelung, die das Ausmaß der Förderungen für Printmedien von der gedruckten Auflage abhängig macht, abschaffen. In der Schweiz, wo bald über eine neu gestaltete Medienförderung abgestimmt werden wird, ist die Vergabe von Fördergeldern längst an Qualitätskriterien gebunden. In Schweden gibt es Subventionen für Printmedien, wenn sie in dünn besiedelten Regionen ausgeliefert werden. Man könnte Förderungen auch an der Zahl der angestellten Journalisten ausrichten.
Medienfreiheit und Medienvielfalt sind für das Funktionieren einer Demokratie unersetzlich. Leider sind auch innerhalb der EU immer mehr Einschränkungen zu beklagen: In Polen, Ungarn oder Slowenien wurden unabhängige, regierungskritische Medien auf Linie gebracht, von Oligarchen aufgekauft oder geschlossen. Auch im westlichen Europa werden Eingriffe in die Medienfreiheit häufiger. Die türkis-grüne Regierung sollte daher die laufenden Ermittlungen der Justiz in der Inseratenaffäre zum Anlass nehmen, neue Regelungen im Mediensektor zu beschließen, vor allem, um den Fortbestand unabhängiger Qualitätsmedien zu sichern.