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Über die Größe des bildungspolitischen Durchbruchs, der am Montag mit der Einigung zwischen SPÖ, ÖVP und Grünen erfolgte, streiten schon die Experten mit Hingabe. Sicher ist, dass Veränderungen in der Bildungspolitik in diesem Land nach Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten gemessen werden; und das, obwohl die Betroffenen selbst über ständige Neuerungen der Bürokratie klagen, die den Existenzzweck des ganzen Unterfangens, das Lehren und Bilden, immer nur erschweren. Dass nun endlich die Schulleiter mehr Autonomie erhalten, um auf ihre jeweiligen Bedürfnisse einzugehen, und ein Feldversuch zur Gesamtschule ermöglicht wird, der diesen Namen auch verdient, können sich die Beteiligten getrost als Erfolg verbuchen.
Dass das nicht alle so sehen wollen, mag der laufenden Wahlkampfstimmung geschuldet sein. Tatsächlich ist keine Opposition zur Lobpreisung ihrer Regierung verpflichtet. Es ist geradezu die Jobbeschreibung der parlamentarischen Minderheit, dagegen zu sein. Aus Prinzip, weil es darum geht, eine Alternative aufzuzeigen.
Das Problem ist: Diese Rollenteilung funktioniert nur, wenn jeder die Aufgabe des anderen akzeptiert. In Österreich ist das nicht der Fall. Und das ist eine politische Tragödie.
Die Regierungsparteien (wenn sie sich nicht gerade selbst bekämpfen) verwenden jedes Nein der Opposition als Beleg für deren - je nach Thema - unsoziale oder unpatriotische Gesinnung. Und umgekehrt ist für die Minderheit jeder Mehrheitsbeschluss eine Bankrotterklärung der Regierenden. Die Parlamentsdebatte zur Bildungspolitik hat diese chronische Unfähigkeit zur politischen Differenzierung der Parteien einmal mehr deutlich gemacht.
Unsere Parteien spielen uns vor (hoffentlich sind sie nicht wirklich davon überzeugt!), dass sie, und nur sie allein, im Besitz der absoluten Wahrheit stehen. Demokratie jedoch schätzt und achtet jeden politischen Willen gleich. Wenn diese Achtung im Parlament und in öffentlichen Debatten verloren geht, kann sie auch im Volk nicht bestehen.
Wahrheit ist in der Politik nichts, das eine Partei (oder die andere) von vornherein besitzt. Und kaum hat man sie, ist auch schon wieder woanders. Diese Einsicht ist zwar Gift für die Psyche jedes Wahlkämpfers, kann in den nächsten Wochen aber trotzdem nicht oft genug wiederholt werden.