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Giftanschlag auf russischen Ex-Geheimdienstler

Von WZ-Korrespondent Alexander Schrepfer

Politik

Sammelte Infos zu Politkowskaja-Mord. | Mordversuch in London überlebt. | London/Moskau. Von Giftanschlägen als politische Waffe schrieb der ehemalige Oberstleutnant des russischen Geheimdienstes FSB, Alexander Litvinenko, bereits Ende 2004 in der "The New York Times". Anfang November wurde er, wie kürzlich bekannt wurde, selbst Opfer eines solchen Attentats.


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Zu Allerheiligen traf er sich in einem Londoner Restaurant mit dem italienischen Bürger Mario Scaramella, der dem Ex-Geheimdienstmann Informationen über die Mörder von Anna Politkowskaja übergeben wollte. Litvinenko kannte sie persönlich. Wenige Stunden nach diesem Treffen musste Litvinenko ins Spital eingeliefert werden. Scaramella werden Kontakte zu russischen Geheimdiensten nachgesagt.

Am letzten Freitag meldete sich Litvinenko beim Radiosender "Echo Moskau" und kündigte an, die ihm anvertrauten Informationen an den Sender und an die Zeitung "Nowaja Gazeta", deren Mitarbeiterin Politkowskaja war, weiterzuleiten. Die prominente russische Journalistin, die sich durch ihre kritischen Tschetschenien-Reportagen weltweit einen Namen gemacht hatte, wurde Anfang Oktober in Moskau Opfer eines Auftragsmordes.

Litvinenko ist bereits seit Jahren im Fadenkreuz des russischen Geheimdienstes. 1998 hielt er zusammen mit einigen FSB-Kollegen eine Pressekonferenz ab, die in Russland beträchtliches Aufsehen erregt hatte. Sie berichteten, den Befehl zur Ermordung des Oligarchen Boris Beresowskij erhalten zu haben. Beresowski musste inzwischen nach London fliehen, nachdem 2001 ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde. Im März 1999 wurde Litvinenko verhaftet und aus dem FSB entlassen. Gegen ihn wurden mehrere Strafverfahren eingeleitet. 2000 ließ man ihn frei - mit der Auflage, Russland nicht zu verlassen. Litvinenko tat es trotzdem, tauchte in England auf und wurde dort 2001 von der Regierung als politischer Flüchtling anerkannt.

Im September 1999, kurz vor der Wahl Wladimir Putins zum neuen Präsidenten, forderten vier Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Moskau, Wolgodonsk (Gebiet von Rostow) und Bujnaksk (Dagestan) zusammen rund 300 Todesopfer, was dem Kreml als Vorwand für den Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges diente. 2001 verfasste Litvinenko zusammen mit dem US-Historiker Juri Felschtinskij das Buch mit dem Titel "Der FSB sprengt Russland". Sie belegen darin, dass der KGB-Nachfolger FSB die Terroranschläge selbst organisierte. Die im Ausland gedruckte Auflage des Buches wurde in Russland beschlagnahmt. Das Buch erschien inzwischen in englischer Übersetzung ("Blowing Up Russia: Terror from within"). 2002 erschien ein weiteres Buch von Litvinenko: "Die Verbrechergruppierung der Lubjanka", in dem er die unsauberen Arbeitsmethoden des FSB anprangert. Beide Bücher werden in Russland via Internet verbreitet.