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Giganten, die keine Krise spüren

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Erfinderische Marktleader am flottesten unterwegs. | Google, Ebay und Amazon glänzen als Amerikas Stars. | Heuer sinkt jedoch die Rentabilität bei fast allen. | Das US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" dokumentiert in seiner aktuellen Ausgabe das bilanzielle Blutbad, das im vergangenen Jahr die größten Konzerne in den Vereinigten Staaten erfasst hat: Seine alljährliche Rangliste der Top 500-Firmen, die diesmal vom texanischen Ölgiganten Exxon Mobil angeführt wird, liefert den Nachweis, dass jedes zweite der vermeintlichen amerikanische Top-Unternehmen einen Gewinnrückgang zu verzeichnen hatte und gleich 129 der 500 Umsatzgiganten, also jeder vierte, rote Zahlen schrieben. Das gab es in all den 55 Jahren nicht, seit das Ranking publiziert wird.


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Die kumulierten Bilanzdefizite der einstigen Paradefirmen betrugen 2008 alles in allem 519 Milliarden Dollar. Am ärgsten erwischte es den schwer angeschlagenen Versicherungskonzern American International Group (AIG), die bereits unter staatliche Zwangsverwaltung gestellten Hypothekenbanken Fannie Mae sowie Freddie Mac, die 99,58 bzw. 50 Milliarden in den Rauchfang schrieben. Die beiden Autokonzerne General Motors und Ford wiederum, die in der "Fortune"-Rangliste auf den Plätzen sechs und sieben landeten, haben gemeinsam die stolze Summe von 46 Milliarden Dollar verloren.

Die addierten Gewinne der übrigen Companys hingegen beliefen sich im Krisenjahr 2008 auf nicht einmal 100 Milliarden Dollar - so wenig wie noch nie zuvor und gegenüber 2007 ein Minus von 85 Prozent. Mit ganz wenigen Ausnahmen - so etwa durften sich die Aktionäre von Wal-Mart Stores über 20 Prozent mehr Rendite freuen - rasselten die Dividenden in rund 450 Fällen überall in den Keller, bei General Electric etwa um 54 Prozent, bei Boeing um 50 Prozent oder bei AT&T um 29 Prozent.

Auch bei Coca Cola ging Gewinn zurück

Das Gemetzel an den US-Börsen hat den Investoren bei jeder zweiten der 500 erfassten Firmen, was den Gewinn pro Aktie anlangt, ein Minus beschert - beispielsweise bei der Bank of America gleich um 83 Prozent oder bei Starbucks um 50 Prozent. In immerhin jedem dritten Fall - darunter beim Medienkonzern Time Warner und bei Coca Cola Enterprises in Atlanta - gab es für die Aktionäre gar nichts zu holen. Eine größere Freude als im Jahr zuvor bereiteten etwa die Aktien von Exxon Mobil, McDonald´s oder Apple den Investoren.

Der Handy- und Computerspezialist aus dem kalifornischen Cupertino zählt zu jenen - wenigen - US-Multis, die im Horrorjahr 2008 in jeder Hinsicht eine glänzende Performance geschafft haben. Das Unternehmen steigerte den Umsatz um 35 Prozent und den Gewinn um 38 Prozent und hat damit Coca Cola erstmals überrundet. Insgesamt waren lediglich rund 20 weltweit tätige US-Konzerne, die auch in unseren Breitengraden jeder kennt, im Horrorjahr 2008 dermaßen gut unterwegs, als gäbe es keine Krise (siehe Tabelle unten).

Zu diesem exklusiven Kreis zählen Öl- und Energiekonzerne - beste Beispiele: Exxon Mobil und Chevron (hier zu Lande unter Texaco bekannt) -, die im Vorjahr absolut keine Schrammen abbekommen haben, sondern vielmehr äußerst dynamisch gewachsen sind. Auch für monumentale Traditionsfirmen aus den unterschiedlichsten Branchen, wie Procter & Gamble, Kraft Foods, Nike, Colgate-Palmolive, H. J. Heinz oder Estée Lauder, lief es genauso ausgezeichnet. Durchwegs zweistellige Umsatzzuwächse waren für sie ebenso selbstverständlich wie ansehnliche Gewinnsteigerungen. Den Vogel schoss der in mehr als 200 Ländern tätige Paketdienstleister UPS ab, der den Profit um 686 Prozent auf drei Milliarden Dollar steigerte.

Weiters konnten innovative Computer- bzw. Software-Spezialisten wie Hewlett Packard, IBM, Microsoft, Oracle oder Cisco Systems im Horrorjahr 2008 mit erfreulichen Zahlen glänzen, auch wenn sie wie der zuletzt genannte erst seit den Neunzigerjahren am Markt sind. Microsoft - vom Umsatz her mittlerweile auf der Höhe von Boeing - katapultierte sich im Vorjahr vom 44. auf den 35. Rang nach oben: Microsoft schafft übrigens beinahe schon so viel Gewinn wie die Konkurrenten HP und IBM zusammen.

Auch die High Tech-Schmiede Oracle, 1976 als Kleinunternehmen gegründet, stieg wie ein Komet auf: Es ging 1986, so wie Microsoft, Sun Microsystems und Adobe Systems, an die Börse und erzielte damals mit 450 Beschäftigten erst einen Umsatz von 55 Millionen Dollar. Heute ist Oracle laut "Fortune" mit 22,4 Milliarden Dollar bereits der hundertdreizehntgrößte US-Konzern und zählt, ähnlich wie die Internet-Profis von Google, Amazon und Ebay zu den viel bewunderten Stars der amerikanischen Wirtschaft.

Der Internet-Dienstleister Google, der bei 21,8 Milliarden Dollar Umsatz und 20.000 Beschäftigten hält, hat sich schon auf Rang 117 der US-Giganten vorgearbeitet: 1998 erstmals online, konnte die der Konkurrenz überlegene Suchmaschine im Vorjahr den Gewinn zwar nur um 0,6 Prozent steigern - doch auch im ersten Quartal 2009 lief es wie geschmiert: Die Erlöse wurden um sechs Prozent und der Nettogewinn leicht auf 1,64 Milliarden Dollar gesteigert, immerhin 34 Prozent des Umsatzes.

Herbe Rückschläge bei Parade-Unternehmen

Während die hartnäckige Krise den im Vorjahr defizitärsten US-Companys heuer ebenfalls arg zu schaffen macht - Fannie Mae etwa fuhr im ersten Quartal erneut 23 Milliarden Dollar Verlust ein -, finden die wenigen Erfolgsstorys eine Fortsetzung. Oracle beispielsweise steigerte den Umsatz laut jüngstem Quartalsergebnis um zwei Prozent auf 5,5 Milliarden Dollar, und der Gewinn stieg um 12 Prozent auf 1,8 Milliarden. Bei Colgate-Palmolive ging heuer zwar der Umsatz um 5,5 Prozent zurück, der Profit stieg jedoch von zuletzt 466 auf 508 Millionen Dollar, also um fast elf Prozent.

Manche Paradefirmen haben allerdings teilweise herbe Rückschläge in Kauf zu nehmen: Bei Exxon Mobil zum Beispiel sank der Gewinn im Zeitraum Jänner bis März gleich um 58 Prozent auf 4,55 Milliarden Dollar. Der Umsatz der weltweiten Nummer eins stürzte sogar von 116,8 auf 64,0 Milliarden Dollar ab. Der Sportartikelspezialist Nike wiederum meldete für sein drittes Quartal (bis Ende Februar) auf Grund von Währungsturbulenzen einen zweiprozentigen Umsatzrückgang auf 4,4 Milliarden Dollar. Der Gewinn brach gleich um 47 Prozent auf 244 Millionen Dollar ein. Nike-Boss Mark Parker, der "sehr stolz auf unsere Performance und unser Potenzial" ist, muss in den kommenden Wochen weltweit 1750 Jobs streichen. Im laufenden Quartal ist die Auftragslage erneut um zehn Prozent schwächer geworden.

Mit Alarmmeldungen lassen auch andere bislang anscheinend unerschütterliche US-Multis aufhorchen: Bei UPS gab es im ersten Quartal 2009 ein Umsatzminus von rund 14 Prozent, und der Gewinn brach gleich auf die Hälfte ein - auf 718 Millionen Dollar. Bei Cisco sank der Umsatz zuletzt laut Quartalsbericht um fast 17 Prozent auf 8,2 Milliarden und der Nettogewinn um 24 Prozent - auf immerhin 1,3 Milliarden Dollar. Mit einer geringeren Rentabilität muss auch das weltweit größte Internet-Auktionshaus Ebay rechnen: Im ersten Quartal setzte die im kalifornischen San Jose beheimatete Firma, die eine der wichtigsten Business-To-Consumer-Plattformen ist und mittlerweile täglich hunderte Millionen Menschen verbindet, um acht Prozent weniger um. Der Nettogewinn stürzte um 22 Prozent ab, aber immerhin blieben von Jänner bis März noch 357 Millionen Dollar übrig - gar nicht so schlecht für eine erst seit 1995 bestehende Firma.

Rekorde Made in the USA

Die 500 größten US-Konzerne setzten im Vorjahr laut "Fortune" 10,7 Billionen Dollar um und beschäftigen 25,6 Millionen Mitarbeiter. Die Highlights:

* Der höchste Profit - 45 Milliarden Dollar - beschert dem Umsatzgiganten Exxon Mobil auch Platz eins unter den profitabelsten US-Konzernen.

* Die meisten Mitarbeiter haben die Wal-Mart-Stores - 2,1 Millionen. Auf den Plätzen zwei und drei folgen UPS (426.000) und McDonald´s (400.000).

* Das größte Umsatzplus schaffte der Finanzdienstleister International Assets Holding mit 312 Prozent Zuwachs in einem Jahr.

* Die spektakulärste Umsatzsteigerung im Fünf-Jahres-Vergleich (seit 2003) gelang Google mit durchschnittlich 72 Prozent pro Jahr.

* Im Zehn-Jahres-Vergleich liegt Amazon mit einem Umsatzplus von jährlich 41 Prozent in Front.

* Das beste Investment im Vorjahr war die Ramsch-Kette Dollar Tree: Sie verhalf Anlegern zu 61 Prozent Plus. Im Fünf-Jahres-Vergleich war Apple mit 51,5 Prozent nicht zu schlagen.