Die rasante Verbreitung von Omikron könnte die kritische Infrastruktur gefährden. Beim Bund-Länder-Treffen am Mittwoch wird deren Schutz daher eine zentrale Rolle spielen.
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Ein letztes Mal vor den Feiertagen gibt es ihn noch. Den "Bund-Länder-Gipfel", an dem Vertreter der Bundesregierung gemeinsam mit Fachleuten und Landeshauptleuten über die nächsten Weichenstellungen bei den Corona-Maßnahmen beraten. Ein letztes Mal, bevor vielleicht für ein paar Tage eine kurze "Weihnachtsruhe" einkehrt. Zu befürchten ist diesmal allerdings, dass es die Ruhe vor dem Sturm ist. Denn die sich rasant ausbreitende Omikron-Variante dürfte schon Ende Dezember, Anfang Jänner für neue Probleme in Österreich sorgen. Die Corona-Kommission warnte bereits vergangene Woche, die Omikron-Welle könnte zu "erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beeinträchtigungen" führen. Die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems sei "sehr hoch".
Das Problem: Selbst, wenn Omikron für etwas mildere Krankheitsverläufe sorgen sollte als Delta, was nicht belegt ist, wird die deutlich schnellere Ausbreitung laut Fachleuten binnen kurzer Zeit für so viele neue Infektionen sorgen, dass auch die Krankenhausaufenthalte steigen. Die Kapazitätsgrenzen in den Spitälern könnten damit viel schneller erreicht sein als mit Delta.
Eine erste Maßnahme könnte darin bestehen, Großbritannien, Norwegen, Dänemark und die Niederlande, wo Omikron bereits dominant ist, ab Freitag als Virusvariantengebiete einzustufen. Das jedenfalls wurde am Dienstag kolportiert. Sollte diese Verschärfung kommen, wird sie aber keineswegs die letzte sein.
"Explosionsartige Verbreitung"
In Deutschland wurde der Expertenrat der Bundesregierung, dem 19 Wissenschafterinnen und Wissenschafter angehören, zuletzt jedenfalls so deutlich wie eindringlich: Bei Omikron könne es zu einer "explosionsartigen Verbreitung" kommen. Für die kommenden Wochen und Monate seien daher "enorme Herausforderungen" zu erwarten. Weil durch die schnelle Ausbreitung der Mutation große Teile der Bevölkerung zeitgleich erkranken könnten, sei nicht nur das Gesundheitssystem, sondern "die gesamte kritische Infrastruktur" gefährdet. Explizit erwähnt wurden neben Spitälern auch Polizei, Feuerwehr und Rettung, die Telekommunikationsinfrastruktur sowie die Energie- und Wasserversorgung.
Auch in Österreich wird der Schutz der kritischen Infrastruktur beim Bund-Länder-Treffen am Mittwoch eine wichtige Rolle spielen. Dieser habe "oberste Priorität", sagte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Dienstag im Hinblick auf den Gipfel. "Wir müssen uns jedenfalls auf ein Worst-Case-Szenario vorbereiten", so Stelzer.
Beim Treffen wird erstmals auch die neu gegründete "gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination", kurz "Gecko" eine zentrale Rolle einnehmen. Denn der Krisenstab, der von Katharina Reich, Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, und Generalmajor Rudolf Striedinger, Stabschef im Verteidigungsministerium, geleitet wird, soll künftig das Pandemiemanagement abwickeln.
Konzepte des Innenressorts spielen "entscheidende Rolle"
Bei Schutzmaßnahmen für die kritische Infrastruktur muss das Gremium, allerdings nicht bei null beginnen. Denn das Innenministerium und die zugehörige Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) verfügen unter anderem über "Objektschutzkonzepte für die Aufrechterhaltung der physischen Sicherheit von kritischer Infrastruktur", wie es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Innenressort heißt. Diese fließen nun auch in die Maßnahmen von Gecko ein.
Das ebenfalls dem Innenressort zugehörige Staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM), in dem auch Einsatzorganisationen sitzen, ist zudem für die bundesweite Gesamtkoordination der Katastrophenhilfe zuständig, die prinzipiell Angelegenheit der Bundesländer ist. Eingerichtet wurde das nationale Krisenmanagement 1986 nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, zunächst beim Bundeskanzleramt. Erst 2003 wurde es in das Innenministerium eingegliedert. "Das SKKM spielt jetzt auch für Gecko eine entscheidende Rolle", heißt es aus dem Ministerium.
Auch für die Polizei hat man im Ministerium bereits "konkrete Planungen zur Sicherstellung der Durchhaltefähigkeit" angestellt "und teilweise auch schon umgesetzt", wie man dieser Zeitung versichert. Verstärkte Hygienemaßnahmen, vermehrtes Testen und Kontaktreduktion seien bereits eingeführt. Wenn nötig, könne es stufenweise zur "Fokussierung auf polizeiliche Kernaufgaben" und Verkleinerungen in der Gruppenstärke im Tag- und Nachtdienst kommen. Ebenso zu "Maßnahmen in der Dienst- und Freizeitplanung der Beamten".
Komplexitätsforscher stellt "Durchtauchen" in den Raum
Im Bundesheer wappnet man sich intern ebenso für die zu erwartende Ausnahmesituation. Für den Schutz der allgemeinen kritischen Infrastruktur des Landes ist man im Verteidigungsressort aber nicht zuständig. Außer das Innenministerium sucht um einen Assistenzeinsatz des Bundesheers an, wie etwa im Falle der Bewachung von Botschaften, die Soldatinnen und Soldaten übernehmen. Prinzipiell könnte das Bundesheer für viele Aufgaben einspringen, wie etwa auch Einsätze in Paketzentren der Post im vergangenen Jahr zeigten. "Die Notfall-Szenarien müssen aber grundsätzlich bei den jeweiligen Organisationen ausgearbeitet werden", heißt es aus dem Ministerium zur "Wiener Zeitung".
Der Stromkonzern Verbund etwa ließ wissen, er setze präventiv vor allem auf eine strikte Trennung der Mannschaft, die in mehrere Teams aufgeteilt sei. Im Notfall wäre man aber mit Notbetten und Nahrungsmitteln auch für eine Isolierung von Mitarbeitern in Kraftwerken gerüstet. Der ORF plant aktuell keine Isolationsbereiche wie zu Pandemiebeginn im Vorjahr. Sie seien als "letztes Mittel" aber möglich.
Komplexitätsforscher Peter Klimek wies unterdessen darauf hin, dass sich in der Bevölkerung durch viele Geimpfte und Genesene bereits Immunität aufgebaut habe, weshalb nicht zwingend mit viel mehr Hospitalisierungen durch Omikron zu rechnen sei. Durch die zwei- bis dreimal schnellere Verbreitung könnte die Anstiegskurve aber so steil sein, dass man "fast von einer Wand sprechen" müsse. Es könnte daher vernünftiger sein, "schnell durchzutauchen, als durch ein Abflachen die Infrastruktur zu gefährden", so Klimek. Gegebenenfalls sei zu überlegen, ob man - bevor Teile der Versorgung zusammenbrechen - eine Person trotz Corona-Erkrankung arbeiten lasse.