Reset Russland-USA: Ein neuer Versuch.
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Kein gemeinsames Essen, keine gemeinsame Pressekonferenz - eine Charmeoffensive sieht anders aus. Die Erwartungen für das Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in der Villa "La Grange" am Genfer See waren von Anfang an gedämpft; allein, dass das Treffen überhaupt zustande kam, wurde als Erfolg gewertet.
Der Beziehungsstatus zwischen beiden Ländern ist kompliziert - er hat sich seit dem Amtsantritt Putins im Jahr 2000 stetig verschlechtert. Erst vor wenigen Monaten tauschten beide Unhöflichkeiten aus: Biden nannte Putin in einem Interview einen "Killer", und im Moment amtiert in den Hauptstädten Moskau und Washington nicht einmal ein Botschafter des jeweils anderen Landes. Der Gipfel in Genf ist nun die Chance, die Reset-Taste zu drücken.
Biden weiß aber nur zu gut, dass dieser Knopf verflixt unzuverlässig funktioniert. Denn nach dem Reset schockierte Putin den Westen mit der Okkupation der Krim und der Installation eines moskauhörigen Marionettenregimes im Donbass. Putin wiederum verzieh dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama die Einmischung in den Bürgerkrieg in Syrien und Libyen - beide Länder haben traditionell enge Beziehungen zum Kreml - nicht.
Mit dem Gipfeltreffen wird sicherheitspolitisch ein neues Kapitel aufgeschlagen: Der Tagesordnungspunkt Cybersecurity findet sich auf der Tagesordnung prominent an jener Stelle, wo früher nukleare Abrüstung gestanden wäre. Zwar ist die Gefahr, die von den Atomwaffenarsenalen beider Länder ausgeht, längst nicht gebannt, aber den Strategen in Washington machen Massenverwirrungswaffen (Cyberattacken) derzeit größere Sorgen als Massenvernichtungswaffen. Die hochgradig digitalisierten USA sind da verwundbarer als Russland. Im Bereich der nuklearen Abrüstung werden übrigens Fortschritte erwartet: Die Gespräche für ein neues START-Atomwaffenabkommen sollen bald beginnen. Früher hätte man eine solche Debatte als pure Science Fiction abgetan, nun führt die Perspektive auf eine schiffbare Nordostpassage dazu, dass beide Seiten in militärische Kapazitäten in der Arktis-Region investieren.
Was bedeutet der Gipfel in Genf für die Europäer? Nach der Amtszeit Donald Trumps haben sie nun wieder einen verlässlichen Partner in Washington. Die Europäer dürfen aber nicht vergessen: Russland ist und bleibt vor allem ein Problem für die EU, für die USA liegt die strategische Hauptherausforderung weiter östlich in Peking. Nicht zuletzt deshalb macht es für die USA Sinn, dass es wieder zu einer Annäherung mit Russland kommt. Man wird sehen, ob der verflixte Reset-Knopf dieses Mal funktioniert.