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Annan wünscht sich mehr Hilfe für Entwicklungsländer. | Terrorkonvention und Ecosoc-Reform weitere Themen. | Wien. Die Agenda des am Mittwoch beginnenden UNO-Gipfeltreffens ist so umfassend, dass die von Generalsekretär Kofi Annan erhoffte "Chance für die gesamte Menschheit" kaum verwirklicht werden kann. Das ursprüngliche Thema der Konferenz, zu der 175 Staats- und Regierungschefs erwartet werden, war es, eine erste Bilanz über die Umsetzung der Milleniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs) zu ziehen.
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Im Laufe der Vorbereitungszeit kamen aber fast alle großen Probleme der Gegenwart auf die Tagesordnung: Klima- und Umweltschutz, Kampf gegen den Terrorismus, gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Diese drohen die Kernthematik, die Verwirklichung der Entwicklungsziele, zu überschatten jene Ziele, die bei der UN-Vollversammlung Ende 2000 von der gesamten Staatengemeinschaft beschlossen wurden (siehe Factbox).
Die UNO hat umfangreichende Vorarbeiten geleistet, um den Gipfel zu einem Erfolg werden zu lassen. Mit einem umfangreichen MDG-Aktionsplan - dem Ergebnis mehrjähriger Untersuchungen von fast 300 Fachleuten - wurde eine konkrete und praktische Vorgabe für die Erreichung der Ziele erarbeitet. Es wird am politischen Willen der Geberländer liegen, ob sie ihre Verpflichtungen zum Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft einhalten werden - sowie am Willen und der Fähigkeit der armen Länder, ihre Sozial- und Wirtschafts- sowie auch die Menschenrechtspolitik an den Interessen der benachteiligten Bevölkerungsschichten auszurichten.
Politik der Blutegel
Nicht nur die Entwicklungs-NGOs und Hilfsorganisationen, die auch bei diesem Gipfel wieder stark vertreten sind, halten die neoliberale Ideologie des unreguliert freien Marktes für ein wesentliches Hindernis bei der Erreichung der Ziele. Selbst der frühere Weltbank-Experte Jeffrey Sachs - heute Leiter der MDG-Initiative der Vereinten Nationen - vergleicht die neoliberale Politik mit der Medizin des 18. Jahrhunderts, "als die Ärzte ihre Patienten mit Blutegeln heilen wollten - und diese dabei oft starben". Die von der Weltbank geförderte und oft auch geforderte Privatisierung von Basisdienstleistungen wie etwa der Wasserversorgung endet immer häufiger in einem Fiasko - und führt zu massivem Widerstand der Bevölkerungen, wie zuletzt in Uruguay und Bolivien.
Bei dem "MDG+5-Gipfel" in New York steht auch die von Kofi Annan forcierte Reform des UN-Systems auf dem Tapet. Dieser hat ja in seinem im vergangenen März veröffentlichten Dokument "In größerer Freiheit" eine Brücke von sozialem Fortschritt und höherem Lebensstandard mit Menschenrechten und globaler Sicherheit geschlagen, wobei er die UN-Reform als wichtigen Beitrag für sein integrales Fortschrittskonzept betrachtet.
Diese Reform soll vor allem die Rolle der Entwicklungs- und Schwellenländer im UN-System stärken. Der Wirtschafts- und Sozialrat (Ecosoc), der bisher ein Schattendasein führte, soll völlig neu strukturiert und zu einer wichtigen Instanz der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik aufgewertet werden. Auch für die zahnlose UN-Menschenrechtskommission ist die Umgestaltung in einen Menschenrechtsrat mit ausgeweiteten Kompetenzen vorgesehen.
Weiteres Thema des Millenniumsgipfel: Terrorismus. Gerungen wird um eine Konvention, in der erstmals auch der Terror-Begriff definiert werden soll. Bisher haben 63 Länder angekündigt, dass sie die geplante Konvention, in der insbesondere die atomare Bedrohung Eingang findet, unterzeichnen wollen, wodurch diese augenblicklich als internationales Recht in Kraft tritt.
Das strittige Thema Sicherheitsrats-Reform wurde hingegen von der Agenda gestrichen, um den Gipfel nicht zu sehr zu belasten: Die Positionen der UNO-Mitgliedsländer waren zu kontrovers.
Die EU möchte auf diesem Gipfel als Vorreiter der internationalen Entwicklungspolitik auftreten. Im Frühjahr wurde ein Stufenplan zur Erhöhung der Entwicklungshilfe bis auf 0,7 % im Jahre 2015 festgelegt. Es handelt sich dabei jedoch nur um Zusagen, die noch keinen Niederschlag in der langfristigen Budgetplanung der Staaten gefunden haben.
Wer zahlt die Hilfe?
Um die eigenen Haushalte nicht mit steigenden Entwicklungshilfe-Ausgaben belasten zu müssen, wird in der EU immer stärker mit außerbudgetären Finanzierungsquellen geliebäugelt. Frankreichs Präsident Chirac macht sich für die Abgabe auf Flugtickets stark, die Briten für die "Internationale Finanzfazilität" (Entwicklungsgelder über den Kapitalmarkt) - und die EU-Haushalt-Kommissarin Grybauskaite findet bereits die Tobin-Steuer einen "guten Vorschlag".
Für Österreich, das ja seine Position mit der der Europäischen Union koordiniert hat, sind alle Teile des kommenden Gipfels gleich wichtig: die Entwicklungshilfe, die Managementreform der UNO, die Menschenrechte und die Sicherheitsfragen. "Wir gehen positiv und optimistisch in den Gipfel", meint Helmut Böck, Leiter der Abteilung Internationale Organisationen im Außenministerium. Die österreichischen Nichtregierungsorganisationen teilen diesen Optimismus nicht. Sie fordern die österreichische Verhandlungsdelegation - die von Bundespräsident Heinz Fischer geleitet wird - auf, sich vehement für die Umsetzung der MDGs einzusetzen und auf den Verpflichtungen zur Steigerung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zu beharren.
Siehe auch:
- Barroso sieht Europa als Vorbild
- Washington stellt sich quer