Japan will mit südostasiatischen Staaten Gegengewicht zu China schaffen.
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Tokio. Wer dieser Tage einen Außen-, Wirtschafts- oder Premierminister eines asiatischen Landes oder einer großen Industrienation sucht, trifft ihn nur selten im jeweiligen Heimatland an. Dafür auf der Urlaubsinsel Bali oder im Sultanat Brunei Darussalam - allerdings nicht beim Strandurlaub. Diese und kommende Woche finden dort mehrere Gipfeltreffen statt, begleitet von unzähligen Vorbereitungstreffen und Verhandlungen auf Arbeitsebene. Die vorrangigen Ziele: die Schaffung einer neuen Wirtschaftsregion Asien-Pazifik sowie vermehrte und bessere Kooperation in Asien, zum Beispiel bei Sicherheitsfragen.
Handel und Investitionen sollen liberalisiert werden
Auf der indonesischen Insel Bali findet am Montag und Dienstag das Gipfeltreffen der Asia-Pacific Economic Corporation (Apec) statt - ein Forum von 21 Mitgliedsländern, das von Ostasien über Australien bis Südamerika reicht (siehe Grafik) zur Förderung von Wohlstand und Wirtschaftswachstum. Langfristiges Ziel ist die Schaffung einer Freihandelszone in der Region Asien-Pazifik (FTAAP - Free Trade Agreement of Asia-Pacific), bestehend aus den 21 APEC-Mitgliedern. Die Apec-Region umfasst derzeit 40 Prozent der Weltbevölkerung, 55 Prozent der Weltwirtschaftsleistung und 45 Prozent des Welthandels.
Die Nationen hoffen, kommende Woche drei Zielen näherzukommen: Erstens wollen sie eine stärkere wirtschaftliche Kooperation erreichen, etwa durch die Liberalisierung von Handel und Investitionen. Zweitens zielen sie auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ab, zum Beispiel durch Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe sowie durch eine höhere Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt. Das dritte Ziel ist es, eine bessere Verbundenheit unter den Mitgliedern zu erreichen, wie durch grenzübergreifende Zusammenarbeit bei der Infrastrukturentwicklung.
Wie entscheidend das Länderforum für manche Staaten ist, zeigt sich am Beispiel Japan: Rund drei Viertel von Japans Handel mit dem Ausland findet mit Apec-Mitgliedern statt. Langfristig strebe Japan laut Unterlagen des Außenministeriums die Verwirklichung des Freihandelsabkommens FTAAP an.
Die vorbereitenden Gespräche unter den Mitgliedsstaaten endeten jedoch vorerst ohne eine Einigung darüber, wann eine "gut verbundene" Region Asien-Pazifik entstehen könnte. Während ein Teil der Nationen als Starttermin das Jahr 2030 anpeilt, bevorzugen andere, den Beginn offen zu lassen. Ursprünglich war in einer früheren Erklärung das Jahr 2020 angedacht worden.
Im Vorfeld des Gipfels geht auch das von den USA geführte Freihandelsabkommen Transpazifische Partnerschaft (TPP) in die nächste Verhandlungsrunde. Wenn alle zwölf Teilnehmer an den Verhandlungen, die von Australien über die USA bis nach Vietnam reichen (siehe Grafik), zustimmen, würde damit eine Freihandelszone mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von 26 Billionen US-Dollar entstehen - und damit eine der größten der Welt.
Obama kommt wegen US-Haushaltskrise nicht
Während Befürworter hoffen, dass das Abkommen die Wirtschaft in den jeweiligen Ländern beflügelt, kritisieren es andere als ein Versuch, Währungen zu manipulieren. Auf politischer Ebene sei es auch motiviert vom Bestreben, der aufsteigenden Wirtschaftsmacht Chinas entgegenzutreten.
Damit die transpazifische Partnerschaft trotz Differenzen über Einfuhrzölle für bestimmte Güter zustande kommt, wollte US-Präsident Barack Obama als Vermittler auftreten. Wegen der US-Haushaltskrise sagte er jedoch seinen Besuch am Freitag ab. Außenminister John Kerry wird ihn vertreten. Das Freihandelsabkommen soll - nach inzwischen 19 Verhandlungsrunden - bis Jahresende zum Abschluss kommen.
Am Dienstag wird die Veröffentlichung einer Erklärung der zwölf TPP-Mitglieder erwartet, in der sie ihre Bereitschaft bekräftigen - allerdings ohne dabei im Detail auf die Höhe von Zöllen oder Ausnahmen einzugehen.
Im Anschluss wird ein Teil der Vertreter von Bali weiter nach Brunei Darussalam reisen. In dem arabischen Sultanat treffen sich Vertreter der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean zum "Asean plus drei"-Gipfel, also mit China, Japan und Südkorea. Danach findet der East Asia Summit (EAS) statt, zum dem weitere fünf Nationen stoßen: die USA, Russland, Australien, Neuseeland und Indien. Bei den Treffen in Brunei geht es vor allem um Beziehungspflege unter den Nachbarn in Asien. Ein zentrales Thema wird die Sicherheitspolitik sein. Dabei geht es in erster Linie um Nordkorea, einem zentralen Thema aller drei Gipfel, wie ein Vertreter des japanischen Außenministeriums am Freitag bekräftigte, sowie um Territorialstreitigkeiten im Ost- und Südchinesischen Meer.
Ein Vertreter des japanischen Außenministeriums sagte am Freitag, für Japan sei das Asean-Treffen in Brunei eine Vorbereitung auf das Gedenkgipfeltreffen zum 40-jährigen Bestehen der Freundschaft zwischen Japan und den Asean-Ländern vom 13. bis 15. Dezember 2013.
Dass Japan die Beziehung zu den Asean-Ländern wichtig nimmt, demonstrierte der japanische Premierminister Shinzo Abe, indem er in diesem Jahr bereits sieben der zehn Mitgliedsstaaten bereiste. Nach dem Besuch von Brunei wird erwartet, dass er bis Jahresende noch nach Laos und Kambodscha reist. Beobachter sehen auch in der engen Kooperation Japans mit den Asean-Ländern den Versuch, ein wirtschaftliches Gegengewicht zu China zu schaffen.
Territorialkonflikte überschatten Gipfeltreffen
Am Rande der Gipfeltreffen werden viele bilaterale Treffen stattfinden, etwa von Japan und Australien sowie Japan und Indonesien. Aussagekräftiger ist aber auch, wer sich nicht länger in ein Gespräch vertiefen wird: Japan und China. Oder Japan und Südkorea. Sie sind weiterhin in Territorialkonflikte um unbewohnte Inseln verstrickt - und in alte, ungelöste Probleme aus der Nachkriegszeit. Ein Vertreter des japanischen Außenministeriums sagte am Freitag, dass weder beim APEC-Gipfel noch anderswo in naher Zukunft ein Treffen von Japan und China geplant sei. Seit dem Kauf der Senkaku-Inseln durch die japanische Regierung, die China Diaoyu nennt und für sich beansprucht, gab es kein offizielles Treffen der Premiers mehr.