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Glamour in Cannes: Frankreich feiert sich selbst

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Paris lässt sich loben, Polizei räumt Demonstranten weg. | Cannes. Beim Treffen der EU-Innenminister in der Filmfestivalstadt Cannes an der Cote dAzur waren die Franzosen sichtlich bemüht, ihre EU-Kollegen nach allen Regeln der Kunst zu beeindrucken. Es hatte fast den Anschein, als präsentiere sich die Grande Nation im Zentrum einer Scheinwelt - vor allem die Kulisse musste stimmen. Der Hintergrund war mit Cannes jedenfalls gelungen gewählt.


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Frankreichs Einwanderungsminister Brice Hortefeux arbeitete bei der Präsentation seines EU-Migrationspakts vor allem mit Superlativen: "Historisch" sei das Paket, rief er: "Nichts wird mehr sein, wie zuvor", wenn die Staats- und Regierungschefs den Pakt im Oktober einmal abgesegnet hätten, so der Minister.

Nach Hortefeux Worten hätten Vertreter sämtlicher 27 Mitgliedsstaaten ausschließlich gejubelt und ihn ob des herrlichen Dokuments gepriesen - was wohl übertrieben sein dürfte. Obwohl aus nicht ganz geklärten Gründen auch der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble und dessen spanischer Kollege Alfredo Perez Rubalcaba mit am Podium saßen, verlas Hortefeux deren Wortmeldungen: "Vorbehaltlose Unterstützung", habe ihm der Deutsche zugesichert. Der Spanier sei "in großen Zügen und auch den Nuancen einverstanden" gewesen - eine "besonders schöne Formulierung", wie der Franzose fand.

Erst nach Vorlesung von erfreulichen Zitaten einiger weiterer Kollegen übergab Hortefeux das Wort an den tschechischen Innenminister Ivan Langer, der den EU-Vorsitz des Ministerrats ab Jänner 2009 übernimmt. Der fühlte sich sichtlich wohl in seiner Rolle und setzte noch eines drauf: Er bewundere seinen französischen Kollegen für seine großartige Arbeit, erklärte er.

Die Vermutung liegt nahe, dass Frankreich durch das gemeinsame Auftreten mit möglichst vielen Ministern dem Eindruck seiner gefürchteten Alleingänge entgegenwirken will.

Doch vor allem geht es der Pariser Regierung um ein schönes Bühnenbild, das auf etwas eigenwillige Art gestaltet wird. Das wurde auch außerhalb des Tagungsgebäudes klar: 24 Demonstranten wollten gegen den EU-Migrationspakt protestieren, dessen greifbarste Elemente tatsächlich vor allem verschärften Grenzschutz versprechen. Umgehend wurden sämtliche Störenfriede von der französischen Polizei entfernt und in Gewahrsam genommen. Ein Fernsehteam der Deutschen Welle hinderten die Sicherheitskräfte daran, die Demonstration zu filmen.

Nur die Realität warf einen Schatten auf die schöne Inszenierung: Noch während die Minister diskutierten, landeten auf Lampedusa erneut fast 700 Flüchtlinge aus Afrika.