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Glasnost und Perestroika für ÖGB

Von Walter Hämmerle

Politik

Grüne drängen auf radikale Schritte. | Hundstorfer: ÖGB-Reform startet am 23. Mai. | Wien. "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Ganz so ernst will Karl Öllinger, Vize-Klubchef der Grünen, die Situation, in der sich der ÖGB derzeit befindet, dann doch nicht sehen - ganz kann sich die Öko-Partei aber nicht historischen Analogien mit dem Anfang vom Ende des real existierenden Sozialismus entziehen. Sonst hätte man die am Dienstag präsentierten Forderungen an eine ÖGB-Reform wohl kaum unter dem Titel "Perestroika und Glasnost für den ÖGB" angepriesen.


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Für Öllinger ist angesichts der Krise, in der sich der ÖGB befindet, jetzt die Zeit gekommen, mit überkommenen Tabus zu brechen. Konkret fordert er die Offenlegung des Streikfonds gegenüber den Mitgliedern. Auch im Verhältnis zwischen ÖGB und SPÖ sieht er die Zeit für einen radikalen Schnitt gekommen: Das gegenseitige Verständnis als "siamesische Zwillinge" entspreche nicht mehr der heutigen Zeit. Daher fordert er eine klare Trennung von Partei- und Gewerkschaftsfunktionen. Hochrangige ÖGB-Funktionäre sollen weder Minister noch in Nationalrat oder Parteipräsidien vertreten sein. Dies, so Öllinger, gelte auch für die Sozialpartner im Einflussbereich der ÖVP wie Wirtschafts- und Landwirtschaftskammern.

Reformbedarf stellen die Grünen auch bei der Rolle der politischen Fraktionen im ÖGB fest. So sei beispielsweise die absolute Dominanz der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter in der größten Einzelgewerkschaft, der Privatangestellten, keineswegs durch das politische Bekenntnis der Betriebsräte legitimiert, da sich mehr als 50 Prozent von diesen als fraktionslos deklarieren.

Um dies zu ändern, sollen die Mitglieder künftig ein umfassendes Wahlrecht erhalten, mit dem sowohl die Fraktionen als auch die Führungen der einzelnen Gewerkschaften bestimmt werden.

Grüne: Aus für Männer-Bastion ÖGB

Schluss soll, zumindest wenn es nach den Grünen geht, auch mit dem blamabel niedrigen Frauenanteil bei Spitzenpositionen im ÖGB sein. Dieser, so Frauensprecherin Brigid Weinzinger, führe nämlich auch zu einem verkürzten Blick auf die Lebensrealitäten von Frauen. Sie will daher die anstehende ÖGB-Reform nutzen, um mit den "frauenfreien Zonen" im ÖGB aufzuräumen. Künftig soll das Präsidium zur Hälfte weiblich werden und eine Mindest-Frauenquote aliquot dem Frauenanteil in der jeweiligen Branche statutarisch verankert werden. Unterdessen verkündete am Dienstag Interims-Präsident Rudolf Hundstorfer anlässlich eines Besuchs bei Bundespräsident Heinz Fischer den Starttermin für die ÖGB-Reform: Am 23. Mai soll die Reformgruppe offiziell erstmals zusammentreten.