Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser darüber, warum der Bund Kärnten im Falle einer Pleite nicht retten wird und warum ein Richtwert etwas ganz anderes als eine Obergrenze ist.
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"Wiener Zeitung": Die Heta-Altlasten, die Flüchtlingskrise, eine schrumpfende Wirtschaft - es gibt derzeit einfachere Jobs als Kärntner Landeshauptmann.Peter Kaiser: In manchen Momenten habe ich das Gefühl, dass mich die Vergangenheit weitaus mehr einnimmt als die Gegenwart. Nichtsdestotrotz benötigen Sachen wie die Heta, die vom Vorgänger ungelöst blieb, und die Flüchtlingskrise die volle Aufmerksamkeit.
Sie haben das Vorgehen der Innenministerin rund um die Ankündigung, am Grenzübergang Karawankentunnel ein ähnliches Kontrollzentrum wie in Spielfeld einzurichten, kritisiert. Warum?
Ich habe sie nicht deswegen kritisiert. Ich bekenne mich dazu und halte das für vernünftig. Wir haben in den letzten vier Monaten auf Basis der tollen Zusammenarbeit mit Slowenien bis zu 3000 Personen täglich transitiert. Kritisiert habe ich, dass ich in der Früh beim Laufen aus dem Radio hören musste, dass der Karawankentunnel zu einer zweiten Institution im Grenzmanagement wird. Und das von einem Polizeisprecher. Bei allem Verständnis: Zwei Tage vorher parafieren wir eine gemeinsame Vorgehensweise und eine verbesserte Kommunikation. Und dann erfahre ich so etwas aus dem Radio.
Was stört Sie am Vorgehen?
Zum Beispiel, dass in einer kleinen Ortschaft wie St. Egyden, wo in einem Landesquartier 64 Asylwerber untergebracht sind, jetzt mit dem Durchgriffsrecht des Bundes weitere 150 kommen sollen. Wir erfüllen mit heutigem Tag zu 100,77 Prozent die Quote und haben 240 freie Betten. Irgendwann muss doch Selbsterkenntnis einsetzen, dass man nicht gegen die Leute eine Flüchtlingspolitik durchsetzen kann.
Die Landeshauptleute sind natürlich keine Fans des Durchgriffsrechts. Aber wie würden Sie diese große Anzahl an Menschen, die kommt, unterbringen?
Ich bin nicht a priori gegen ein Durchgriffsrecht. Nur wie ich etwas anwende, ist ein zweites Paar Schuhe. In Kärnten verfolgen wir die Strategie, nicht mehr als 50 Personen in einem Landesquartier unterzubringen, es sei denn, die Gemeindeverantwortlichen wollen aus bestimmten Gründen etwas mehr haben. Und hier gibt es keine Klagen. Überall dort, wo das Innenministerium mit dem Durchgriffsrecht kommt, ist es wie der Elefant im Porzellanladen. Und die Beispiele in Kärnten zeigen, dass das Land offensichtlich das Lieblingsbundesland der Ministerin ist; obwohl andere unter 90 Prozent liegen.
Spielen da vielleicht Parteicouleurs eine Rolle?
Das wird doch hoffentlich in Österreich nicht der Fall sein (lacht).
Wie stehen Sie zur von der Regierung beschlossenen Obergrenze? Da sind sich nicht alle SPÖ-Genossen einig.
Wir haben Richtwerte beschlossen.
Was ist der Unterschied?
Auf dem Papier steht Richtwert und nicht Obergrenze. Das mag jetzt für jemanden eine Bedeutung haben oder auch nicht. Es geht um das Maßnahmenbündel, das beschlossen wurde. Eine gemeinsame Asylpolitik über Hotspots an der EU-Außengrenze ist derzeit nicht umsetzbar, daher haben wir den umgekehrten Weg gewählt. Nämlich über Maßnahmenbündel zu quantitativen Richtwerten zu kommen. Und jetzt müssen alle anderen Staaten reagieren. Wir beobachten gerade die folgende EU-Entwicklung: Schweden macht zu, Dänemark auch. Deutschland hat noch offen, Österreich mit Limitierung. Slowenien und Kroatien folgen. Serbien folgt. Mazedonien verhandelt, ob man dort größere Hotspots machen kann, und Griechenland schwebt noch im leeren Raum. Wir nähern uns der EU-Außengrenze, allerdings von innen, ein Dominoeffekt in die falsche Richtung.
Noch einmal: Wie stehen Sie zum Richtwert?
Ein zweites Jahr 2015 mit 90.000 Asylanträgen wäre nicht mehr bewältigbar gewesen, ohne dass es gravierende Veränderungen in der österreichischen Gesellschaft und wahrscheinlich eine Stimmung der Nullbereitschaft geben würde. Daher ist das Maßnahmenbündel für eine deutliche Reduzierung richtig.
Zur Heta: Eine große Heta-Gläubigergruppe hat angekündigt, das 7,7 Milliarden Euro Rückkaufangebot nicht annehmen zu wollen. Damit wird auch eine Pleite Kärntens wieder zum Thema.
Ich verstehe die Gläubiger, dass sie versuchen, möglichst alles, was sie investiert haben, zurückzubekommen. Wir haben, für jeden Gläubiger überprüfbar, einen Datenraum eingerichtet. Als Land Kärnten bieten wir 1,2 Milliarden Euro, die sich ausschließlich daraus ergeben, dass uns der Bund günstig kreditiert. Das ist das was Kärnten maximal leisten kann. Mehr geht nicht und mehr gibt es nicht!
Die Gläubiger werfen Kärnten vor, sich hier armgerechnet zu haben, und glauben, dass es mehr zu holen gibt.
Kärnten hat überhaupt nicht gerechnet und auch nicht verhandelt. Das wurde von Lazard, einer weltweit renommierten Institution, gemacht. Man kam auf 500 Millionen Euro Tragfähigkeit der Schulden plus 80 Millionen Euro an Immobilien. Dann hat man andere, vergleichbare Faktoren noch in die Berechnung miteinbezogen, sonst wäre die Summe zu gering ausgefallen. Der Bund hat dann auf die so errechneten 800 Millionen weitere 400 Millionen Euro als einen zweiten Teilbetrag kreditiert, damit eine ansehnliche Summe von 1,2 Milliarden Euro zustande kommt. Diese gibt es ausschließlich für das Angebot des Rückkaufs.
Aus Ihrer Sicht gibt es also in Kärnten nicht mehr zu holen?
Nein, ganz im Gegenteil. Nüchtern betrachtet sind die Varianten folgende: Wenn die Gläubiger in der entsprechenden Majorität das Angebot annehmen, heißt das, dass sie 75 Prozent der vorrangigen Forderungen bekommen. Das Geld würde man noch im Monat März bekommen. Im entgegengesetzten Fall müssten wir alle Forderungen bestreiten. Es würde dann Jahre dauern, bis man den Instanzenzug durchlaufen hat, und auch wenn die Gläubiger hier gewinnen, gibt es über Jahre hinweg kein Geld. Wenn man jetzt glaubt, dass die Republik so locker vom Hocker einspringt, mit 3,3 Milliarden Euro mehr, ist das sehr, sehr kühn. Das sollten sich die Gläubiger bei ihrer Taktiererei auch überlegen. Und der letzte Punkt: Wenn es in Richtung Insolvenz geht, sind wir im rechtlichen Neuland. Wir haben ein Gutachten, dass nur gewisse Dinge in eine Insolvenzmasse kommen können. Aber gewiss ist, dass dann alle Gläubiger bedient werden müssen. Der größte ist der Bund selbst mit 3,45 Milliarden Euro. Wir haben das durchgerechnet und da bekämen die Gläubiger maximal vier bis fünf Prozent ihrer Forderungen. In Österreich muss der Bund nicht für die Länder haften, und das wird er auch nicht.
Andererseits würden mit einer Insolvenz die Gläubiger mit dem bedient, was da ist, und die Sache wäre schnell vorbei. Hätte das nicht etwas Katharsisches für das Land?
Es wäre schön, wenn das so wäre. Dann hätte ich das als ernsthafte Alternative gewählt. Aber beim ersten Erwirtschaften von etwas, das man dann investieren könnte, ist das schon wieder einkassiert. Das ist der Tod eines Bundeslandes. Bei allem Respekt, wir bieten nicht nichts an. Und es gibt eine Bankenrichtlinie der EU, die besagt, dass nicht nur die Steuerzahler, sondern auch die Banken und Gläubiger bei der Abwicklung von Systembanken herangezogen werden sollen.
Zur Person
Peter Kaiser (SPÖ)
ist seit 2013 Landeshauptmann von Kärnten und regiert in einem Parteibündnis mit ÖVP und Grüne. Der studierte Soziologe und Philosoph war zuvor Gesundheitsreferent und ist derzeit auch für die Agenden Soziales und Integration zuständig.