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"Glauben ist für mich keine Kategorie"

Von Bernd Vasari

Politik
Stanislav Jenis

Der designierte SPÖ-Parteimanager Georg Niedermühlbichler über Schachzüge der ÖVP und seine Strategie im Wahlkampf.


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Wien. Georg Niedermühlbichler fuhr im konservativen 1. Bezirk das beste SPÖ-Ergebnis der Geschichte ein und begleitete Alfred Gusenbauer im Wahlkampf zur Nationalratswahl 2006, bei der die SPÖ nach schlechten Umfragewerten, den 1. Platz erobern konnte und damit die schwarz-blaue Ära beendete. Vor kurzem wurde der Präsident der Mietervereinigung von Bürgermeister Michael Häupl zum Landesparteisekretär bestellt, der den Wahlkampf für die Wien-Wahl 2015 managen soll. Als Ziel wurde nichts weniger als die absolute Mandatsmehrheit ausgegeben.

"Wiener Zeitung": Herr Niedermühlbichler, bereits zwei Tage nach dem Rücktritt Ihres Vorgängers Christian Deutsch wurden Sie als neuer Parteimanager präsentiert. Wann haben Sie davon erfahren, dass Sie in der Auswahl sind?Georg Niedermühlbichler: Ich habe in den Zeitungen meinen Namen gelesen, wurde da aber noch nicht gefragt. Ein erstes Gespräch mit dem Bürgermeister hat es am Abend vor dem Tag der Präsentation gegeben.

Und Sie haben gleich zugesagt?

Der Bürgermeister und ich kennen uns schon sehr lange und sehr gut. Da ist die nonverbale Kommunikation mindestens genauso wichtig, wie die verbale. Er hat natürlich schon gewusst, dass wenn er mich fragt, ob ich das machen will, dass ich nicht ablehnen werde.

Haben Sie je mit dem Parteimanagerjob spekuliert?

Nein. Ich habe in meiner politischen Laufbahn einen einzigen großen Wunsch gehabt, nämlich Bezirksvorsteher im 1. Bezirk zu werden. Das war 2005 und wäre fast gelungen. Die ÖVP hat dann aber den genialen Schachzug mit Kollegin Ursula Stenzel gemacht, die einen höheren Bekanntheitsgrad als ich hatte. Ich musste mich geschlagen geben und bin in den Landtag gewechselt. Generell bin ich der Auffassung, dass eine Spekulation auf einen Job gar nichts bringt, weil es so viele Faktoren gibt, ob man dann eine Funktion übernimmt oder nicht.

Was wäre Ihr nächstes Karriereziel gewesen, wenn Sie nicht Parteimanager geworden wären?

Es gab auch kein Karriereziel. Mit 17 Jahren bin ich 1983 nach Wien gegangen, um Politiker zu werden. Ich habe da aber überhaupt noch nicht gewusst, was es da gibt. Ich fing bei der Sozialisten Jugend an und bin dann in den 1. Bezirk gekommen, wo ich Bezirksrat werden wollte. Das habe ich 1996 geschafft. Die Mietervereinigung ist wiederum auf mich zugekommen, ohne, dass ich das angestrebt hätte. Auch die Mitarbeit bei Alfred Gusenbauer war eine Zweitagesentscheidung, ob ich es mache, oder nicht.

Sie sind es also gewohnt, schnell zu handeln . . .

Ja. Ich habe meine Frau vier Monate nachdem ich sie kennengelernte, geheiratet. Wir sind jetzt 28 Jahre glücklich verheiratet. Schnelle Entschlüsse prägen mein Leben, und das wird auch wahrscheinlich weiterhin so sein.

Sie werden den Wahlkampf der Wiener SPÖ leiten. Welche Erfahrungen bringen Sie mit?

Ich bin 1998 Bezirkssekretär im 1. Bezirk geworden. Wir hatten damals eine schwierige Position, weil wir 1996 den 2. Platz an die FPÖ verloren hatten. 2001 hatten wird dann aber mehr gewonnen, als wir 1996 verloren. Das prägendste war für mich als ich 2006 Alfred Gusenbauer im Wahlkampf begleitet habe.

Die SPÖ hat im Wahlkampf drei Gegner: die FPÖ in den Außenbezirken, Grüne/Neos in den Innenbezirken und SPÖ-Nichtwähler. Stimmen Sie dem zu?

Das größte Problem haben wir derzeit im Nichtwählerbereich. Hier müssen wir unsere Vielzahl an ehrenamtlichen Mitarbeitern, die aus Überzeugung für eine Idee eintreten, motivieren.

Die FPÖ stagniert. Da wird man die besseren Antworten aufzeigen müssen, die wir ohne Zweifel haben. Wir hetzen nicht, sondern wir arbeiten. Eine Stimme für die FPÖ ist eine verlorene, weil sie nicht in der Regierung sitzen wird und das Poltern im Gemeinderat fortsetzen, aber sonst nichts umsetzen kann. Das ist auch gut so, wenn man sich etwa den Herrn Krauss anschaut. Grünwähler sind auch für uns ansprechbar.

Was werden die Grundpfeiler der SPÖ im Wahlkampf sein?

Wir werden auf die drei klassischen Themen der Sozialdemokratie setzen. Erstens Arbeit. Wir müssen jungen Menschen Perspektiven geben. Hier haben wir mit der Ausbildungsgarantie schon einige wichtige Akzente gesetzt. Zweitens Bildung. Diese beginnt im Kindergarten. Wir haben den kostenlosen Kindergarten eingeführt. Und jetzt auch die Gratis-Nachhilfe im Pflichtschulbereich. Auch Soziales und Gesundheit ist uns ein Anliegen.



Wenn man sich in Wien umhört, welche Themen die Grünen in den vergangenen fünf Jahren gesetzt haben, dann hört man die Umgestaltung der Mariahilfer Straße, die Ausweitung der Parkpickerlzone und die Verbilligung der Öffi-Jahreskarte. Fragt man nach Themen der SPÖ, dann herrscht das große Schweigen. Warum ist das so?

Der Vorteil der Grünen ist, dass sie nur eine Stadträtin haben, auf die sich alles fokussiert. Bei den drei Themen, die Sie angesprochen haben, darf man nicht vergessen, dass diese eigentlich von der SPÖ kommen. Das erste Parkpickerl wurde von der SPÖ 1995 im 1. Bezirk eingeführt, die Idee der Fußgängerzone kam von Renate Kaufmann (ehemalige Bezirksvorsteherin von Mariahilf). Auf SPÖ-Seite war das Krankenhaus Nord ein ganz großer Wurf. Das steht aber nicht so im Fokus, weil es kein Aufreger ist. Wer soll etwas gegen ein Krankenhaus haben? Das ist daher schwieriger verkaufen, wie eine Neugestaltung der Mariahilfer Straße. Wir haben auch das Smart-Wohnungsprogramm, das Wien-Museum, Gratis-Nachhilfe.

Stichwort Gratis-Nachhilfe: Die Nachhilfe ist ja nicht gratis, schließlich zahlt dies der Steuerzahler. Es findet hier aber eine Umverteilung statt. Die Mehrheit zahlt für den Einzelnen. Eigentlich zutiefst sozialdemokratisch. Warum wird dies aber nicht betont?

Es ist so, dass wir eine Sprache finden müssen, die die Menschen verstehen. Wenn wir jetzt sagen würden, dass wir die Gratis-Nachhilfe wegen der Umverteilung machen, wird das niemanden vom Hocker reißen. Ich gebe Ihnen schon recht: Irgendwer muss es ja zahlen. Eigentlich wollen wir die Ganztagesschule, die ÖVP legt sich hier auf Bundesebene leider quer. Jedes Kind soll daher im Pflichtschulbereich die Möglichkeit erhalten, Nachhilfe zu nehmen. In der Werbung muss man das verkürzt darstellen.

Ist die verkürzte Darstellung von Positionen auch ein Ergebnis der sozialen Medien? Welche Rolle spielen Facebook und Twitter in ihrem Leben?

Ich bin auf Facebook und Twitter seit zweieinhalb Jahren. Auf Twitter habe ich etwa 800 Follower. Twitter nutze ich, um die politische Situation zu verfolgen, aber auch für den österreichischen Fußball. Ich bin Austrianer und es gibt ein paar Freunde die Rapidler sind. So etwa mein ÖVP-Pendant Alfred Hoch. Da matchen wir uns immer ein bisschen.

Wie werden Sie die sozialen Medien im Wahlkampf einsetzen?

Wir sind jetzt noch in den Anfängen. Wichtig ist, dass man sich nicht verbiegt. Was sehr schnell bemerkt wird, wenn man ein Gschichtl druckt oder hardcore Politik-Werbung machen möchte. Lieber etwas nicht twittern oder posten, bevor man sich verbiegt. Ich bemühe mich, da authentisch zu sein. Daher gibt es bei mir auch Phasen, wo ich ein, zwei Wochen gar nichts twittere. Im Wahlkampf wird es so eine Phase aber nicht geben.

Was glauben Sie, wie wird die Wien-Wahl ausgehen?

Ich bin schon lange aus der Kirche ausgetreten. Daher ist Glauben für mich keine Kategorie. Es ist entscheidender, was unterm Strich rauskommt, und nicht, was man heute glaubt.