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Die ersten Spuren jener Idee, wonach das
Leben mit dem Tod doch nicht vorbei sein könnte, verorten Archäologen vor rund 120.000 Jahren. Was diese frühen Menschen genau gedacht haben, wie es dann weitergehen werde, lässt sich heute allenfalls vermuten; aber dass sie an ein Weiterleben der Verstorbenen glaubten, lässt sich annähernd schlüssig aus gefundenen Grabbeigaben ableiten.
Nachdem im Menschen aber auch jener Geist fest verankert ist, der stets verneint, kann getrost davon ausgegangen werden, dass die ersten Zweifler den ersten Gläubigen auf den Fuß folgten. Paradox, aber beide haben einander nicht nur bekämpft, sondern auch befruchtet.
Seit dieser Zeit ist die Idee des Glaubens aus der Geschichte nicht mehr wegzudenken. Im Guten wie im Schlechten. Und mittlerweile hat sich auch die progressive Auffassung, dass die Moderne mit dem Tand der Religionen aufräumen werde, erledigt. Die Vorstellung, der Mensch könnte sich zum unumschränkten Herrscher seiner Welt erheben, ist für die allermeisten noch immer kein beruhigender Gedanke. Das Misstrauen gegen die eigene Natur sitzt tief und ist, nach allem, was die Geschichte an Erfahrungen bereithält, berechtigt - checks & balances quasi, nur eben transzendental.
Dabei ist der Mensch bei einer Aufgabe tatsächlich auf sich selbst zurückgeworfen, nämlich wenn es darum geht, die Urgewalt religiöser Energie auch für die Menschen einzusetzen. Noch immer spielt der Glaube auf fast jedem Schlachtfeld der Gegenwart auf die eine oder andere Weise eine Rolle - und fast nie, oder jedenfalls viel zu selten, die des Friedensstifters.
Was das Christentum angeht, das dieser Tage die Geburt seines Erlösers vor mehr als zweitausend Jahren feiert, so entfaltet sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit derzeit in Rom ein enormes Experiment. An keiner anderen der großen Weltreligionen nagt der Zweifel der Moderne so sehr wie am Christentum in seinem historischen Kernland Europa. Der neue Papst aus der neuen Welt will diesen schleichenden Niedergang nicht als unabänderlichen Lauf der Geschichte akzeptieren. Stattdessen verpasst er seiner 2000 Jahre alten Kirche einen Crashkurs mit den sehr weltlichen Problemen der Gegenwart. Hoffentlich macht ihm nicht die verlorengegangene Fähigkeit vieler Schäflein, sich für eine Sache über längere Zeit zu begeistern, zu schaffen.