Zum Hauptinhalt springen

"Glaubt ihr, ihr werdet mich los?"

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Premier wollte ein Dekret zur Neuauszählung durchsetzen. | Bündnispartner gehen auf Distanz zu Berlusconi. | Prodi: Silvio Berlusconi muss nach Hause gehen. | Wien/Rom. Italiens Premierminister Silvio Berlusconi gibt sich auch drei Tage nach der Wahl noch nicht geschlagen. Nach einem Treffen mit Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi am Mittwochabend, sprach er von unzähligen Wahlbetrügereien und davon, dass sich das Ergebnis noch ändern muss. Offensichtlich wollte er den Präsidenten davon überzeugen, ein Dekret zu unterzeichnen, das alle rund 1,1 Millionen ungültigen Stimmen noch einmal nachgezählt werden müssen. Ciampi soll dieses Ansinnen klar zurückgewiesen haben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zuden Journalisten sagte Berlusconi nach der Unterredung mit Ciampi: "Habt ihr etwa geglaubt, ihr werdet mich los?"

Selbst seine Verbündeten gehen langsam auf Distanz zum Regierungschef. Der Parteichef der Christdemokraten, Lorenzo Cesa, zeigte sich überzeugt, dass die Prüfung der umstrittenen Wahlzettel das Resultat nicht mehr verändern wird. Ignazio La Russa, Spitzenpolitiker der Alleanza Nazionale, meinte, ihm seien keine Betrugsvorwürfe bekannt. Arbeitsminister Roberto Maroni sagte, die Mitte-Links-Allianz habe das Recht zu regieren, werde es aber angesichts der internen Differenzen ohnehin nicht lange schaffen.

Keine Manipulationen mit Auslandsstimmen

Die italienische Wahlkommission wies die Vorwürfe Berlusconis über Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Auslandsstimmen zurück. Berlusconi hatte behauptet, die italienische Botschaft in Bern habe 188.500 Wahlzettel nach Rom geschickt, dort seien aber nur 150.000 angekommen. Das wurde von Claudio Fancelli, dem Chef der Abteilung für die Auszählung der Auslandsstimmen dementiert. In seiner Abteilung sind so viele Stimmzettel angekommen, wie von den Botschaften abgeschickt wurden, sagte Fancelli. Bei der Überprüfung umstrittener Stimmzettel geht es um 43.028 Stimmen für die Kammer- und 39.822 für die Senatswahl.

Insgesamt waren für die Kammerwahl 1.102.188 und für die Senatswahl 1.093.277 ungültige Stimmen abgegeben worden. Das sind nach Auskunft des italienischen Innenministeriums um 66 bzw. 60 Prozent weniger als bei den Wahlen 2001. Überprüft werden nur die Stimmzettel für die Kammerwahl, da bei den Senatssitzen keine Änderung mehr zu erwarten ist. 448.002 Stimmzettel für die Kammerwahl waren leer, 611.158 ungültig. Umstritten sind nur 43.028 Stimmen aus 60.828 Wahlsprengeln, also durchschnittlich nicht einmal ein Stimmzettel pro Sprengel. Und es ist auch keinesfalls so, dass alle diese Stimmzettel Berlusconis Lager zugerechnet werden könnten. Von den in Mailand überprüften umstrittenen Stimmzetteln, betrafen etwa nur 30 das Berlusconi-Lager und 109 das Unionsbündnis von Romano Prodi. In Neapel, wo nur neun Stimmen umstritten waren, fielen sechs an die Unione und drei an Berlusconi. In Turin konnte Berlusconis Lager 21 Stimmen für sich reklamieren und die Unione 13. Im Wahlkreis Latium 1, zu dem auch Rom gehört konnte das Berlusconi-Bündnis gerade einmal 29 umstrittene Stimmen für sich reklamieren und Prodis Lager 19.

Auch die neben einem Müllcontainer in Rom gefundenen Schachteln mit Stimmzetteln sind nicht auf Wahlbetrug zurückzuführen, sondern auf eine simple Schlamperei. Die im Wahlprotokoll verzeichneten und an das Innenministerium durchgegebenen Stimmen gehörten dazu zum überwältigenden Teil dem Mitte-Links-Lager.

Prodi-Protest beim Innenminister

Romano Prodi wies die Vorwürfe Berlusconis zurück und sagte bei der Siegesfeier in Bologna: "Wir haben gewonnen und Berlusconi muss nach Hause gehen!" Prodi protestierte gegen Berlusconis Verhalten bei Innenminister Giuseppe Pisanu, der für den regulären Verlauf der Wahlen verantwortlich ist.