Mit der Zukunft der Gender Studies an der Uni Wien beschäftigt sich das Projektzentrum Genderforschung. Eine kürzlich abgeschlossene Studie zeigt, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren viel geschehen ist, die weitere Entwicklung hängt allerdings von vielen unsicheren Faktoren ab.
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"Das Klima gegenüber Gender Studies ist an der Universität Wien bis in die Leitungsebene hinein erfreulich aufgeschlossen", sagt Sabine Kock vom Projektzentrum Gender Studies im Interview mit der "Wiener Zeitung". Seit dem Wintersemester 2002 gibt es an der Uni Wien die Möglichkeit, Gender Studies als interdisziplinäres Wahlfach zu studieren. "Das Problem wird die Budgetierung zukunftsweisender Strukturen bei knapper werdenden Ressourcen der Universitäten", so Kock. Interdisziplinäre Zusammenarbeiten beispielsweise sind gegenwärtig durch die fakultätsbezogene Budgetplanung nur in wenigen Ausnahmen möglich.
Der Wunsch des Projektzentrums wäre ein eigenes interdisziplinäres Studium unter Beteiligung vieler Fachdisziplinen - das Interesse der Studierenden wäre vorhanden, doch das geht formal erst mit der Vollrechtsfähigkeit. Ein Problem sei im öffentlichen Bewusstsein immer noch das Image der Gender Studies, so Brigitta Keintzel vom Projektzentrum gegenüber der "Wiener Zeitung". "Oft gilt es als Softstudium, in dem man schnell ein Diplom erreichen kann. In Wahrheit braucht man aber sehr viel Engagement und Flexibilität", so Keintzel. Man müsse die Genderperspektiven auf die bestehenden Forschungsmethoden anzuwenden lernen und so alte Sichtweisen verändern.
Vorerst muss also am Ausbau der genderspezifischen Lehrveranstaltungen gearbeitet werden. Das Projektzentrum berät dabei die Studienkommissionen und die interfakultäre Steuerungsgruppe. Eine besondere Schwachstelle ist der naturwissenschaftliche und wirtschaftswissenschaftliche Bereich. Die Einbringung der Genderperspektive in diese Fakultäten könne etwa im Bereich der Grundlagen und Didaktik sowie im Bereich Technikfolgenabschätzung erfolgen. Als ein Beispiel für fehlende Gendersensibiltät aus der Medizinforschung nennt Kock die Tatsache, dass bis vor wenigen Jahren die überwiegende Zahl an Medikamenten fast nur an Männern und nicht an Frauen getestet wurden - und damit der männliche Körper lange die Norm für Medikamentenwirkungen darstellte. "Es muss eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit erfolgen", erläutert Keintzel - in allen genderrelevanten Fragen.
Das Projektzentrum berät Studierende, die sich für genderspezifische Lehrveranstaltungen interessieren. Sie können bei der Bibliotheksleiterin Eva Erkinger außerdem in einer der umfangreichsten Zeitschriftensammlungen zum Thema Gender forschen.
Studie zu "Gender"-Fakten
Die Studie, die vom Oktober 2001 bis zum Juni 2002 durchgeführt wurde, bestand zu einem Teil aus einer quantitativen Erhebung, erklärt Kock. Die Projektmitarbeiterinnen Natascha Gruber und Manuela Hofer sammelten Daten, wonach in den sechs erhobenen Semestern 852 genderspezifische Lehrveranstaltungen angeboten wurden. 8.000 Studierende legten in diesen Fächern Prüfungen ab.
Der Großteil der Lehre im Bereich der Gender Studies wird von externen LektorInnen und GastprofessorInnen gelehrt. "Das bedeutet, dass für Gender Studies und für die extern Lehrenden instabile Bedingungen herrschen, da die LektorInnen immer wieder neu verpflichtet werden müssen und keine Kontinuität des Lehrangebotes garantieren können", so Kock. Die künftige Profilbildung an den Unis könnte die Gender Studies stärken, aber auch außerordentlich gefährden, führt Keintzel aus.
Ein zweiter Teil des Projekts bestand aus Perspektivinterviews mit 50 Betroffenen. Die Projektmitarbeiterinnen Helga Eberherr, Elisabeth Mayerhofer und Sabine Prokop konnten dabei einen Grundtenor ersehen: Alle Befragten sprachen sich weiterhin für offene Strukturen und für die Weiterführung des kritischen Ansatzes in den Gender Studies aus.
Der dritte Bereich wurde von Eva Kalny betreut und zeigt die internationale Perspektive der Gender Studies. Ein Vergleich mit Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden zeigt die Bedeutung von internationalen Netzwerken. An den Standorten an denen die Koordination von Forschung und Lehre gut funktioniert und die StudentInnen miteinbezogen werden, seien Gender Studies am erfolgreichsten, so Kock.
"Doing Gender - Dancing Gender" - Fest des Projektzentrums Genderforschung am 26. März ab 18 Uhr im alten AKH, Hof 1
http://www.univie.ac.at/gender