Die Chancengleichheit von Männern und Frauen - das ist das Ziel von Gender Mainstreaming (GeM). Die neue Strategie soll mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in alle Bereiche der österreichischen Arbeitsmarktpolitik integriert werden. Denn die Vergangenheit habe gezeigt, dass durch Gleichbehandlung allein keine Chancengleichheit erreicht werde, erklärten Irene Pimminger und Nadja Bergmann, die Leiterinnen der österreichischen GeM-Koordinationsstelle im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
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Während in der Forschung zum Geschlechterverhältnis "sex" für den biologischen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Körpern steht, bezeichnet "gender" die gesellschaftlichen Geschlechterrollen; die Vorstellungen und Erwartungen darüber, wie Frauen und Männer sind bzw. sein sollen. Vieles, was uns als "natürlicher" Unterschied erscheint - "typisch Frau, typisch Mann" - ist in Wirklichkeit gesellschaftlich geprägt. Auf dieser Ebene setzt die Strategie Gender Mainstreaming an, um gleiche Chancen von Frauen und Männer zu schaffen. Die Notwendigkeit von GeM ergibt sich aus der aktuellen Situation: Frauen haben immer noch schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt, leisten mehr unbezahlte Arbeit und haben weniger Einkommen als Männer.
Maßnahmen zur Erreichung von Chancengleichheit wurden bisher von Instituionen und Betrieben oft sehr separiert betrieben, erläutert Pimminger die Problematik. GeM sei nicht als eigenes Projekt zu verstehen, sondern es bedeute vielmehr eine geschlechtssensible Perspektive in alle Politikbereiche und Maßnahmen zu integrieren, und die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern zu berücksichtigen. Bisher sei oft übersehen worden, dass sich scheinbar "neutrale" Maßnahmen auf Frauen und Männer unterschiedlich auswirken, da sie unterschiedliche Ausgangssituationen haben. Eine "allgemeine Politik", ohne Berücksichtigung von Chancengleichheit würde daher Ungleichheiten verstärken. Es sollten in allen Bereichen Ungleichheiten wahrgenommen und bekämpft werden, so die 27-jährige Expertin, die sich bereits im Zuge ihres Studiums der Sozialwissenschaften auf Genderforschung spezialisiert hat und seit 1997 in diesem Forschungsbereich bei L&R Sozialforschung tätig ist.
Handwerkszeug auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen
Ein Aspekt im Zuge von GeM, so Bergmann, sei zum Beispiel, "dass man nicht nur schaut, wie Frauen Beruf und Familie verbinden können, sondern, dass auch die Männer stärker eingebunden werden - dass man schaut, wo Männer ihren Beitrag leisten können". Geschlechterfragen werden also nicht mehr allein als "Frauenproblem" gesehen, sondern als ein Frage der gesellschaftlichen Stellung von Frauen und Männern im Allgemeinen. Ein Thema, mit der sich Bergmann seit mehreren Jahren beschäftigt. Nach ihrem Studium der Soziologie war sie unter anderem als Fachreferentin im Bundeministerium für Arbeit, Gesundheit und soziale Angelegenheiten tätig. Seit vorigem Jahr arbeitet auch sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim privaten Forschungsinstitut L&R Sozialforschung, das seit Oktober 2000 in Kooperation mit der BAB GmbH Träger der GeM-Koordinationsstelle ist.
Um der Fortsetzung der Ungleichheiten entgegenzuwirken, wurde Gender Mainstreaming im Primärrecht der EU verankert. Im einheitlichen Programmplanungsdokument (EPPD) Ziel 3 für den EFS wurde GeM als Grundsatz für alle ESF-Internventionen festgelegt und vorgeschrieben, dass der Anteil von Frauen bei allen Maßnahmen mindestens 50% betragen muss. Dabei handelt es sich um Maßnahmen wie zum Beispiel Weiterbildungskurse von Institutionen, die innerhalb des ESF tätig sind (z.B. AMS). Die GeM-Koordinationsstelle im ESF wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen des Ziel 3-Programmes eingerichtet und unterstützt die Verantwortlichen in den verschiedenen Institutionen bei der Umsetzung von GeM durch Information, Vernetzung und Beratung.
Kontakt: GeM-Koordinationsstelle, Tel. 01/595 40 40-16, Homepage: www.gem.or.at