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Gleiche Steuern für alle?

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

In den USA gibt es ein Steuerschlupfloch für die Reichsten, das sogar von einigen Magnaten kritisiert wird, die selbst davon profitiert haben.


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Es ist eine seltsame Art von Populismus, die Wall Street anzuprangern und gleich darauf Steueränderungen lautstark abzulehnen, die vorsehen, das Einkommen von Anlegern wie das aller anderen zu behandeln. Diese Pro-Milliardär-Version des Populismus war bei den Midterm-Wahlen aber sehr erfolgreich. Das bedeutet wohl das Aus für die Initiative im US-Kongress, die sogenannte Carried-Interest-Kompensation, die an viele Investmentfondsmanager ausbezahlt wird, zu Fall zu bringen.

Dieses Steuerschlupfloch ist derart unfair, dass es sogar von einigen Magnaten kritisiert wird, die selbst davon profitiert haben, wie zum Beispiel der frühere US-Finanzminister Robert Rubin und andere prominente Anleger. Das Geld von Private-Equity-Fonds-Managern und ähnlichen Beteiligungen wird grundsätzlich mit 15 Prozent versteuert, als ob es Risikokapital wäre und nicht ganz gewöhnliches Einkommen, das mit 35 Prozent versteuert wird. Und es ist auch anzunehmen, dass der neopopulistische Kongress sich sträuben wird, diesen Prozentsatz wieder auf sein altes Niveau von 38 Prozent anzuheben.

Wie das so oft der Fall ist, wenn es um die Interessen der Großunternehmer geht, werden auch zur Erhaltung dieses Steuerschlupflochs angebliche Nachteile von Kleinanlegern vorgeschoben. Ähnlich unlogisch ist die Furcht so vieler, die Steuerkürzungen aus der von Ära George W. Bush für diejenigen, die mehr als 250.000 Dollar im Jahr verdienen, abzuschaffen. Das ist wohl Teil des amerikanischen Selbstverständnisses, dass sich alle zu den Reichen zählen.

Politiker der demokratischen Partei versuchten, sich dem Druck der Milliardärslobby für die Beibehaltung des Steuerschlupflochs zu widersetzen. Auch US-Präsident Barack Obama kämpfte dagegen an, in seiner Wahlkampagne 2008 und mit seinen ersten beiden Budgets. Und aus dem parteiübergreifenden Steuerausschuss heißt es, den größten Teil der Zinserträge als normales Einkommen zu behandeln, brächte im Lauf von zehn Jahren 17,7 Milliarden Dollar ein - kein Kleingeld für ein Land, das dringend seinen Haushalt ausgleichen muss.

Aber die Angelegenheit ging an den Senat weiter, Lobbying-Nebel verbreitete sich und die Jachten gingen bei den Schleppschiffen in Deckung. Die Lobbyinggruppe der Finanzindustrie, der Private Equity Council, schaffte es, wie die Heilsarmee zu klingen mit der präzis unpräzisen Warnung, dass 36.600 bis 127.800 Arbeitsplätze durch die Schließung dieses Steuerschlupflochs verlorengehen könnten. Es könnte zu einem Investmentverlust von 7,7 Milliarden Dollar kommen und der fragile Real-Estate-Sektor der USA würde besonders darunter leiden, warnt der Private-Equity-Rat. "Rettet das Schlupfloch oder wir erschießen die Geiseln", mit etwas Zynismus lässt sich ihre Botschaft auch so lesen.

Die Tycoons können sich entspannen. Zwei Wirtschaftsexperten des Weißen Hauses sagten mir, dass das Stopfen des Carried-Interest-Schlupflochs wahrscheinlich vom Tisch sei, für die Amtszeit dieses Kongresses und auch des nächsten. Es war schwierig genug, den wirtschaftlichen Schwergewichten allein halbwegs beizukommen, seit sie sich aber erfolgreich beim kleinen Mann verstecken, sei das unmöglich.

Diese politische Taschenspielerei vergrößert die Kluft in den USA von Jahr zu Jahr. Umfragen zeigen, wie wütend die Menschen auf die Wall Street und auf Washington sind. Und dennoch heißt es weiter: Schützt die Steuerlücken der Reichen.

Übersetzung: Redaktion

Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

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