Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind die häufigsten Medikamente zur Behandlung von Entzündung und Schmerz. Durch diese Präparate können sich Rheumakranke wieder besser bewegen. Über 30 Millionen Menschen werden weltweit mit NSAR behandelt. NSAR verursachen jedoch in 20 bis 30 Prozent der Fälle Nebenwirkungen. Allein in Deutschland sterben jährlich zirka 3.000 Patienten daran. Die Wirkstoffe können zu bedrohlichen Magenblutungen, Durchbrüchen oder zu Nierenschäden führen. Heute ist die Magenblutung auf Grund eines Magengeschwüres die häufigste schwere, eine Hospitalisierung erfordernde Medikamenten- | nebenwirkung überhaupt. Außerdem ist eine Niereninsuffizienz bei 10 bis 20 Prozent aller | Dialysepatienten auf eine chronische Einnahme von NSAR zurückzuführen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nun haben sorgfältige klinische Studien bewiesen, dass sich bestimmte Rheumakrankheiten auch mit Enzympräparaten behandeln lassen, mit dem Vorteil für die Patienten, dass Enzyme keine nennenswerten Nebenwirkungen verursachen. Chefarzt, Universitätsprofessor Dr. Gert Klein aus Saalfelden berichtet im Gespräch über die Ergebnisse dieser Studien.
Frage: Anlässlich des Schmerzkongresses in Frankfurt am Main haben Sie im März dieses Jahres über drei klinische Studien bei Rheumapatienten berichtet an denen Sie die Wirksamkeit von einem lNSAR mit einem Enzympräparat verglichen haben. Bitte berichten Sie über die drei Studien und deren Ergebnis.
Gert Klein: Proteolytische Enzyme verfügen neben den bekannten entzündungshemmenden und ödemmindernden Eigenschaften auch über analgetische Effekte. Dies erklärt die therapeutische Wirkung solcher Enzyme auch bei degenerativ-rheumatischen und weichteilrheumatischen Erkrankungen, bei denen Entzündungsmechanismen und Immunprozesse nicht im Vordergrund stehen. Wir haben drei klinische doppelblinde dreiwöchige Studien durchgeführt und die Wirksamkeit eines Enzympräparates mit dem NSAR Diclofenac verglichen. Gemessen wurden die typischen Schmerzarten Ruheschmerz, Bewegungsschmerz, Druckschmerz und Nachtschmerz hinsichtlich der Schmerzreaktion. Herangezogen wurde außerdem ein international gebräuchlicher Index zur Beurteilung des Therapieerfolges. Die erste Studie wurde bei 40 Patienten mit einer schmerzhaften weichteilrheumatischen Schultergelenkserkrankung durchgeführt, die zweite Studie bei 73 Patienten mit Kniegelenksarthrose und die dritte bei 120 Patienten mit schmerzhaften Wirbelsäulensyndromen. Jeweils die Hälfte der Patienten erhielt ein Enzympräparat, die andere Hälfte das NSAR Diclofenac.
Nach dreiwöchiger Therapie ergab sich bei allen drei Studien ein gleichwertiger Behandlungserfolg hinsichtlich der Schmerzreduktion durch das Enzympräparat im Vergleich zu Diclofenac.
Frage: Wie erklären Sie die Wirksamkeit der Enzyme bei Schmerz und bei Entzündungen?
Klein: Es konnten Wirkmechanismen nachgewiesen werden, welche sowohl auf einer entzündungshemmenden als auch auf einer schmerzstillenden Komponente beruhen. Schon relativ früh gab es Beobachtungen darüber, dass proteolytische Enzyme zu einer Spaltung und Inaktivierung von Entzündungsmediatoren, wie Bradykinin und Prostaglandinen führen können. So führt eine Enzymtherapie nicht nur indirekt über eine Entzündungshemmung zur Schmerzlinderung, vielmehr beeinflussen Enzyme auch direkt die Schmerzempfindung.
Frage: Wie wirken Enzyme auf das lmmunsystem?
Klein: Enzyme, so zeigen neue Untersuchungen, interagieren auf vielfältige Weise mit dem Immunsystem, wirken regulierend auf gestörte immunologische Prozesse ein und können so das immunologische Gleichgewicht wieder herstellen. Das heißt, Enzyme sind dazu fähig Struktur und Funktionalität bestimmter immunologischer Zielmoleküle zu modulieren, welche im Rahmen von krankhaften Störungen des Immunsystems im Übermaß auftreten.
Frage: Sind Enzyme ein vollwertiger Ersatz der NSAR?
Klein: Nein, Enzyme sind sicherlich kein vollwertiger Ersatz für die NSAR. Im allgemeinen besitzen NSAR eine stärkere entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung und verfügen über einen rascheren Wirkungseintritt, da sie primäre Prostaglandinsynthesehemmer sind, das heißt, der Wirkmechanismus auf Entzündungen unterscheidet sich deutlich von dem der Enzympräparate, wodurch auch das angesprochene differente Nebenwirkungsprofil entsteht.
Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass die NSAR zu Wechselwirkungen mit einer Vielzahl von Medikamenten führen können, wie zum Beispiel Antidiabetika, Antikoagulantien (gerinnungshemmende Medikamente) oder Hochdruckmittel. Ein Vorteil der Enzymtherapie ist diese fehlende Interaktion mit anderen Medikamenten. Grundsätzlich sind Enzympräparate, vor allem bei Risikopatienten indiziert, bei denen NSAR aus bestimmten Gründen nicht verabreicht werden sollen oder bei Patienten, die keine NSAR einnehmen wollen.