UN-Vizegeneralsekretär Wu über Frauenrechte und die Weltwirtschaft 2013.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung":
Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Welche Trends sehen Sie für die Wirtschaftsentwicklung für 2013 und danach?Wu Hongbo: Zuerst darf ich da auf das Zauberwort "nachhaltige Entwicklung" zu sprechen kommen. Die derzeitige Produktions- und Konsum-Muster sind nicht nachhaltig. Ich glaube aber, dass die Nachhaltigkeit von ökonomischem Wachstum von übergeordneter Bedeutung ist. Denn wenn wir die Weltwirtschaft auf einen Nachhaltigkeitskurs bringen können, dann lassen sich in Zukunft auch schwere ökonomische Krisen vermeiden.
Werden wir auch 2013 die Krise spüren?
Jeder hat in dieser Krise gelitten. Vielleicht ist China ein bisschen besser dran als Europa oder die USA. Aber da die Nachfrage nach chinesischen Gütern gelitten hat, traf es auch mein Land.
Der wichtigste Motor der Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren war Konsum, der zum Teil über Schulden finanziert wurde. Die Menschen wollen immer mehr Waren, immer mehr Zeug.
Das liegt wohl in der menschlichen Natur.
Mehr Konsum heißt aber auch, dass mehr Energie verbraucht wird, dass mehr Rohstoffe in den Produktionsprozess fließen. Gibt es nach diesem Modell überhaupt einen Weg für eine nachhaltige Entwicklung?
Das Problem ist komplex und unterscheidet sich sehr stark von Land zu Land. Wir müssen bei kleinen, praktischen Dingen beginnen. Ich gebe Ihnen ein ganz kleines Beispiel: Wenn Sie in China in einen Supermarkt gehen, dann gibt man Ihren für Ihren Einkauf in einen Plastiksack. Irgendwo türmt sich das dann zu wahren Plastiksack-Müllbergen. Also hat die Regierung eine neue Regel erlassen, die besagt, dass man hinkünftig für Plastiksäcke bezahlen muss. In den USA kann man weiter so viele Säcke bekommen, wie man will, vielleicht mehr, als man benötigt. Freilich, das ist eine kleine Sache, aber man muss bei den kleinen, praktischen Dingen beginnen, um zu zeigen, dass man die Probleme lösen kann.
Zu den großen Dingen: In den USA verbrauchen rund 300 Millionen Menschen rund 20 Millionen Barrel Öl pro Tag. China verbraucht rund 10 Millionen Barrel, hat aber rund 1,3 Milliarden Einwohner. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn jeder Chinese eines Tages so viel Öl verbraucht wie ein Amerikaner...
In der Theorie hat jeder Mensch das gleiche Recht auf den Verbrauch von Ressourcen und Energie. In der Praxis ist das freilich unmöglich. Auch hier wieder das Zauberwort Nachhaltigkeit: Es geht darum, mehr zu produzieren, und zwar mit einem geringen Einsatz von Energie und Ressourcen.
Es gab in der Vergangenheit Vorschläge, dass wichtige Ressourcen von einer internationalen Institution verwaltet werden könnten.
Ich glaube nicht, dass die Welt reif genug dafür ist.
Was sind Ihre Wünsche, Ihre Albträume für 2013?
Mein Wunsch: Ich hoffe inständig, dass die Weltwirtschaft endlich wieder auf die Beine kommt. Mein Alptraum wäre nämlich eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation. Jenseits von Hoffen und Angst: Ich glaube, dass die Weltwirtschaft 2013 langsam wachsen wird. Und das ist ja schon mal nicht schlecht. Peking rechnet für 2013 mit 8 Prozent Wachstum, das sind gute Nachrichten. Auch die USA kommen langsam wieder hoch und es ist zu hoffen, dass Europas Schuldensituation sich verbessert.
Sie sind nach Wien gekommen, um die Rolle der Gleichstellung von Mann und Frau für die Entwicklung von Volkswirtschaften zu besprechen.
Wir glauben, dass Geschlechter-Gerechtigkeit eine Voraussetzung für zukünftige nachhaltige Entwicklung ist. Wenn die Hälfte der Bevölkerung nicht über die gleichen Rechte, die gleichen Möglichkeiten verfügt, wie soll ein Land die Zukunft vernünftig gestalten?
Dennoch gelten in vielen Ländern, darunter in China, Söhne immer noch als erstrebenswerter als Töchter.
China ist ein riesiges Land, daher kann man die Realität dort nicht in einen oder zwei Sätze fassen. In den Städten sind Frauen in guten Positionen zu finden, sie stellen heute die Mehrzahl der Studenten an den Unis. Am Land hingegen gelten Söhne immer noch als wertvoller als Töchter. Diese Einstellung will die Regierung verändern. Ein anderer wichtiger Punkt: In China hat die Überalterung der Gesellschaft bereits begonnen, wir sind aber noch nicht reich genug, um adäquate Sozialsysteme zu schaffen. So hat eben jede Gesellschaft, jedes Land andere Probleme. Wir versuchen jedenfalls, die Aufmerksamkeit für das Thema Geschlechtergerechtigkeit zu erhöhen. Was wir in den Hirnen der Menschen verankern wollen: Mädchen und Buben sind gleichberechtigt.
Zur Person
Wu Hongbo
ist seit August 2012 UN-Vize-Generalsekretär für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten. Der chinesische Spitzendiplomat war Botschafter in Deutschland und den Philippinen und Vize-Außenminister Chinas.