Wohlfühl-Wahlkampf von Hessens Ministerpräsident Bouffier geht nicht auf.
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Wiesbaden. "Bayern. Unser Ministerpräsident", ließ der eine plakatieren. "Ja zu Hessen" prangt auf den Werbemitteln des anderen. Um Inhalte geht es nicht, dafür geben sich beide auf den Plakaten und den Partei-Webseiten abwechselnd staatsmännisch in dunklem Anzug und Krawatte oder bemüht leger mit offenem obersten Hemdknopf. Bei Horst Seehofer ging das Rezept auf: 47,7 Prozent fuhren seine Christsozialen bei der bayerischen Landtagswahl am Sonntag ein, eroberten die absolute Mandatsmehrheit zurück. Der andere, Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier, muss zittern.
Im Windschatten der Bundestagswahl wählen 4,4 Millionen Hessen am Sonntag auch ihren Landtag. Wie in Bayern benötigten die Konservativen in den vergangenen Jahren einen Koalitionspartner, ebenfalls war es die FDP. Bouffier amtiert seit 2010 als Ministerpräsident, zuvor war er elf Jahre Mitglied der Landesregierung. Der 61-Jährige ist also wie sein CSU-Amtskollege Seehofer routiniert und machttechnisch versiert. Der Wahlkampf läuft aber nicht rund für Bouffier: Auf 38 Prozent kommt seine CDU in den jüngsten Umfragen, könnte damit lediglich das Wahlergebnis von 2009 halten. Die FDP stürzt - wie bereits zur Gewohnheit geworden - ab, schafft mit 5,5 Prozent aber den Einzug in den Landtag. Diesem rund 43 Prozent starken bürgerlichen Block stehen SPD und Grüne gegenüber, die gemeinsam gleichauf mit Schwarz-Gelb liegen. Zünglein an der Waage ist die Linkspartei, sie hält derzeit bei fünf Prozent.
Frühere Wähler bleiben aus
Anders als bundesweit und in Bayern (siehe Grafik) profitieren die Konservativen nicht vom Absturz der FDP. Bouffier gelingt es nicht, bürgerliche Wähler, die den Liberalen vor vier Jahren in Hessen zu sensationellen 16,2 Prozent verholfen haben, zurück zur CDU zu lotsen. Ganz anders Horst Seehofer: 120.000 frühere FDP-Wähler votierten am Sonntag für die bayerischen Christsozialen. Zusätzlich konnte die CSU 300.000 ehemalige Nichtwähler für sich gewinnen - damit waren SPD und Grüne chancenlos. Sie erreichten lediglich 20,6 bzw. 8,6 Prozent, die bürgerlichen Freien Wähler verloren leicht auf neun Prozent. Damit bestätigte sich der Wahltrend im Freistaat: Die Mitte-Rechts-Parteien kommen auf rund 60 Prozent, wie bei jedem Urnengang seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Locker daneben
Auch Angela Merkel verdankt ihren haushohen Vorsprung in Umfragen der Schwäche der Liberalen. Ihre Inszenierung als Ruhepol in stürmischen Zeiten von Schuldenkrise und Euro-Rettungskationen ist in den Augen der Bürger glaubwürdig. Bouffier - früherer Spitzname als hessischer Innenminister: Sheriff - mutiert zum Fremdkörper, wenn er auf einem Plakat mit fünf Jugendlichen um einen Tischfußballtisch posiert. Der mitgelieferte Slogan "Hessen bleibt locker!" wirkt ungefähr so leer wie der Plastik-Kaffeebecher, an den sich der Ministerpräsident klammert.
Nicht nur das weichgespülte Image passt nicht zu Bouffier, dem Mann für Recht und Ordnung. Im Gegensatz zu Bayern sind in Hessen Bayern SPD und Grüne stark, 1984 kam hier die erste rot-grüne Regierung in einem deutschen Bundesland zustande. Mit 30 Prozent kann die SPD rechnen, die Grünen schaffen 13,5 Prozent. Das ist zu wenig, um Schwarz-Gelb zu stürzen. Mit den Stimmen der Linkspartei will sich SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel aber nicht zum neuen Ministerpräsidenten küren lassen: "Der Politikwechsel in Hessen wird rot-grün, oder er wird nicht", stellte er nach einigem Lavieren klar.
Die CDU wird dagegen nicht müde, das rot-grün-rote Schreckgespenst an die Wand zu malen. 2008 versprach die damalige SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti, keine Koalition mit der Linkspartei einzugehen. Nach der Wahl und mit der Chance auf den Ministerpräsidentensessel war das Versprechen Makulatur. Vier Abweichler aus der eigenen Partei verhinderten das Bündnis schließlich. Rot-Grün-Rot ist bis heute unbeliebteste Koalitionsvariante bei Hessens Bürgern; sie wollen mit deutlichem Vorsprung Rot-Grün. Gleichzeitig verfügt Bouffier über bessere Sympathiewerte als sein SPD-Herausforderer Schäfer-Gümbel. Beste Voraussetzungen also für ein knappes Wahlergebnis.