Studien, wie im Ozean Sauerstoff transportiert wird. | In zwei Monaten Speicherung von 18 Millionen Messungen. | Berlin. Die Szene erinnert an einen Spionagethriller aus dem Kalten Krieg: Lautlos gleitet der knallgelbe Torpedo ein paar Kilometer nördlich der Kapverdischen Inseln in die Tiefe des Atlantiks. Einen Tag später taucht das Gerät einige Kilometer weiter wieder auf, bestimmt seine Position mit Hilfe des Satellitenortungssystems GPS und startet zur nächsten Expedition.
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Zwei Monate lang wiederholt sich das Ganze, ohne dass ein Mensch sichtbar wird, der den Torpedo steuert. Offensichtlich folgt das etwa einen Meter lange Gerät einem geheimnisvollen Plan, der ihm vorher einprogrammiert wurde - aber nicht etwa von einem Geheimdienstmitarbeiter in Moskau oder Washington, sondern von Torsten Kanzow vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IfM-Geomar) in Kiel: "Wir haben dem Gleiter eine Route für zwei Monate einprogrammiert, auf der er die Verhältnisse in der Tiefe des Ozeans vermessen soll."
Das Ganze ist also ein Forschungsprojekt, das in die noch weitgehend unbekannten Tiefen der Ozeane Licht bringen soll. So gibt es in der Nähe der Kapverden zwischen 200 und 800 Metern Tiefe sehr wenig Sauerstoff im Wasser. Da aber auch dort Organismen leben, die Sauerstoff verbrauchen, müssen irgendwelche Prozesse das für Tiere lebenswichtige Element dorthin transportieren.
Eine Etage höher gibt es in Tiefen bis etwa hundert Meter viele Mikroorganismen, die Sauerstoff produzieren. Dieses Plankton braucht aber nicht nur Sonnenlicht von oben, sondern auch Nährstoffe, die oft nur am Meeresgrund vorkommen. Gibt es also Strömungen, die solche Nährstoffe aus der Tiefe bis zum Plankton nahe der Oberfläche tragen? Und die vielleicht im Gegenzug zumindest ein wenig des oben produzierten Sauerstoffs in die Tiefe transportieren?
Lässt man von einem Schiff Sonden in die Tiefe, erfährt man von solchen Strömungen wenig, weil sie ja immer nur einen Punkt im Meer genau vermessen. Obendrein kommen die Nährstoffe vielleicht mit einem Staubsturm aus der Sahara zu den Kapverden, der seine fruchtbare Fracht aber erst ablädt, wenn das Forscherschiff schon lange weitergefahren ist.
Eine mehrmonatige Forschungsfahrt nur durch dieses Meeresgebiet aber bekommt Torsten Kanzow kaum genehmigt, weil Schiffszeit sündhaft teuer ist. Da kommen die knallgelben Torpedos genau recht, die mit dem Energieverbrauch einer Fahrradlampe bis zu drei Monate lang zwischen der Wasseroberfläche und tausend Metern Tiefe automatisch messen können.
Unterwegs messen Sensoren nach jeweils 50 Zentimetern Abstieg die Temperatur, den Wasserdruck, den Salzgehalt, die Sauerstoff-Konzentration, die Trübung des Wassers und den Gehalt am Pflanzenfarbstoff Chlorophyll. Nach zwei Monaten um die Kapverdischen Inseln haben die fünf eingesetzten Geräte so 18 Millionen Messungen gespeichert. Aus den Daten können die Forscher dann für ein 40 mal 40 Kilometer großes Gebiet die Strömungen und die Aktivität des Planktons ausrechnen.
Genau und preiswert
Gab es zwischendurch einen Sandsturm, erkennen sie das an der Trübung des Wassers. Dann sehen sie auch, ob der Saharastaub das Leben im Wasser explodieren lässt, weil er schlagartig neue Nährstoffe wie zum Beispiel Eisenverbindungen ins Oberflächenwasser liefert. Bei Anschaffungskosten von höchstens hunderttausend Euro für einen Gleiter kann Torsten Kanzow das Geschehen unter Wasser so erheblich genauer und viel preiswerter als von einem Forschungsschiff aus beobachten.