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Die mächtigste Lobbying-Plattform der Welt tagt wieder. | Organisatoren betonen Öffnung über Neue Medien. | Davos/Wien. Start klar zum Aufmarsch der Giganten: Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos ist ein Fixtermin im globalen Kalender. Ab Mittwoch tagt die Creme de la Creme aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zum 40. Mal in den Schweizer Alpen. | Gegengipfel am brasilianischen Fluss
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Die Organisatoren erwarten rund 2500 Teilnehmer. Im dritten Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise stellt Gründer Klaus Schwab das Forum unter das Motto der globalen Zusammenarbeit, der Förderung von wirtschaftlichem und sozialem Wohlstand: "Wir müssen unsere Werte überdenken und unsere Institutionen erneuern." Doch inwieweit geht es bei dem Mammut-Treffen tatsächlich um nachhaltiges Wirtschaften?
Davos begann 1971 als nicht auf Gewinn ausgerichtetes Managertreffen mit 444 Teilnehmern unter der Schirmherrschaft der EU-Kommission. Die Teilnahmegebühr lag bei 3000 Euro. "Das Symposion dauerte damals zwei Wochen, das waren richtige Winterferien", schwärmt WEF-Sprecher Matthias Lüfkens. "Heute hingegen sind die Pisten leer." Das WEF ist ein fünftägiges Weltereignis geworden - mit 1000 Mitgliedern und 225 offiziellen Sitzungen, plus zahlreichen Firmen-Veranstaltungen.
Eingeladen wird, wer wichtig ist - und zahlt
Alleine die mittlerweile eingeführten Mitgliedsbeiträge, die an das als Stiftung organisierte WEF zu entrichten sind, ringen Respekt ab: Einfache Mitglieder zahlen rund 28.300 Euro jährlich, plus eine Teilnahmegebühr von 12.230 Euro für einen Unternehmensvertreter beim Forum. Industriepartner müssen 170.000 Euro berappen, dürfen aber im Gegenzug zwei Personen nach Davos entsenden. "Strategische Partner" sind erst mit 340.000 Euro dabei, dürfen aber mit vier bis fünf Vertretern am Forum teilnehmen. Zu ihnen zählen Weltkonzerne wie Accenture, ArcelorMittal, Volkswagen, die Belinda Gates Foundation oder die Deutsche Post.
Lohnt sich der Aufwand? Für jene, die Kontakte knüpfen und Geschäfte anbahnen wollen, schon. Dem britischen Ex-Premier Tony Blair zufolge ist das Forum die "größte Networking-Plattform der Welt". Laut Schwab ist es von Vorteil, dass das Treffen in der "heimeligen" Atmosphäre des Bergdorfs in Graubünden stattfindet und alle Teilnehmer von ihm persönlich eingeladen werden.
Für die Kritiker ist diese Heimeligkeit eine Festung, in der sich eine arrogante Geldelite selbst feiert, lobbyiert und Deals verhandelt, die letztlich nur ihr selbst dienen. Bei zahlreichen Protesten rund um den mit Stacheldraht eingezäunten und von Polizeiaufgebot bewachten Tagungsort monieren Demonstranten, dass wenige Kapitalisten über das Schicksal ganzer Nationen entscheiden.
Einer der prominentesten Kritiker, der deutsche CDU-Politiker Heiner Geißler, bezeichnet das Forum als "Inzuchtbetrieb seit 40 Jahren", der die Hauptschuld daran trage, dass es zur Krise gekommen sei.
Warnende Stimmen werden gern überhört
Die Organisatoren setzen dem frei zugängliche Diskussionsforen für die Bürger im Rahmen des Forums entgegen. Des weiteren würde eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Teilnehmern über Internet-Foren wie Youtube, Twitter und Facebook über den Fortgang des Forums diskutieren, darunter Microsoft-Gründer Bill Gates. "Davos war noch nie so offen", betont Sprecher Lüfkens. Mittlerweile findet das WEF zudem nicht nur in Davos statt, sondern während des Jahres bei Regionaltreffen in Afrika, Südamerika, Asien, Indien, und China. "Davos ist nicht nur ein Business Meeting, sondern es geht darum, alle Gesellschaftsschichten einzubeziehen", sagt Lüfkens.
Was nichts an der Tatsache ändert, dass beim WEF Botschaften untergehen können. So hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Jänner 2009 für einen dritten Weg zwischen ungezügeltem Kapitalismus und Sozialismus geworben: Ein Weltwirtschaftsrat solle die Einhaltung von Spielregeln der sozialen Marktwirtschaft überwachen. Darüber wird heute kein Wort mehr verloren.
Auch warnende Stimmen werden ungern gehört: Die prominenteste davon ist US-Starökonom Nouriel Roubini, der früh beim WEF vor den Gefahren der Krise gewarnt hatte. Sein neues heißes Thema ist "heißes Geld" - Spekulationskapital, das eine neue Blase nährt, deren Platzen die größte Kapitalentwertung aller Zeiten auslösen könnte. Man wird sehen, ob er beim 40. Weltwirtschaftsforum Gehör findet.
Wissen
Am Weltwirtschaftsforum in Davos werden 30 Staats- und Regierungschefs und 60 Minister erwartet. 1400 der 2500 Teilnehmer sind Wirtschaftskapitäne.
Aus Österreich nehmen Außenminister Michael Spindelegger, der Unternehmer Gernot Langes-Swarovski und Magna-Chef Siegfried Wolf teil.
Des weiteren werden aus Deutschland Außenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erwartet. US-Präsident Barack Obama bleibt dem Treffen fern, jedoch kommt Ex-Präsident Bill Clinton. Die Eröffnungsrede hält Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.
Porträt
Er gilt als weltbester Netzwerker: Klaus Schwab, seit 40 Jahren Mastermind des Weltwirtschaftsforums in Davos. Unter den Gästen des elitären Treffens ist, wer von dem gebürtigen Schwaben, der heuer 72. Geburtstag feiert, eingeladen wird. Das kann (wie im Vorjahr) auch ein 14-jähriger sein, der den Gastgeber beeindruckt, weil er in einer Radioshow alle Fragen zu internationaler Politik richtig beantwortet.
Für kaum jemanden gilt die Phrase "Mit den Mächtigen auf du" so wie für das Kommunikationsgenie Schwab. Der studierte Maschinenbauer und Wirtschaftswissenschafter, heute Träger von acht Ehrendoktor-Hüten, brachte nach Eigenangabe in den 1970er-Jahren den Begriff "Stakeholder" nach Europa: Damit ist die Kontaktpflege einer Firma mit allen relevanten Anspruchsgruppen (Kunden, Medien, Mitarbeitern etc.) gemeint.
Nach eben diesem Schema nimmt Schwab selbst seinen Kritikern den Wind aus den Segeln, indem er ihnen das Gefühl gibt, sie könnten Teil des Forums werden. Die Dritte Welt ist zu wenig präsent? Schwab veranstaltet regionale Treffen. Das WEF ist überaltet? Er gründet die Young-Global-Leaders-Initiative. Die Konferenz schottet sich ab? Er startet das frei zugängliche Open Forum in Davos, das eine Gegenöffentlichkeit ermöglichen soll.
Davos vergisst auf sozial Benachteiligte? 1998 gründet Schwab mit seiner Frau Hilde die "Schwab Foundation for Social Entrepreneurship", die in 30 Ländern Personen auszeichnet, die soziales Denken und unternehmerisches Handeln verknüpfen.