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Industrieländer nützen knappe Wasservorräte - Dritte Welt nicht.
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Wien. Das Dürrejahr in den USA und in Russland lässt weltweit die Mais- und Weizenpreise explodieren. Bewohner armer Länder leiden besonders, weshalb die UNO die Regierungen ermahnt hat, die Lage nicht durch Panikkäufe oder Hamstertaktik zu verschlimmern. Oft scheitert ein frühes Vorbeugen von Ernteausfällen daran, dass das genaue Zusammenspiel von Extremwetter und Landwirtschaft noch wenig verstanden ist. Eine Hilfe bieten hier ganz neuartige Weltkarten, die kürzlich auf der Jahrestagung der "British Society of Cartographers" in London vorgestellt wurden.
Unser Planet Erde verfügt über 15 Millionen Quadratkilometer Äcker und 28 Millionen Quadratkilometer Weidegebiete, die gemeinsam nur ein gutes Drittel des gesamten eisfreien Landes (130 Millionen Quadratkilometer) ausmachen. Unterschätzen kann man die Bedeutung dieser Flächen kaum: Sie sichern die Lebensgrundlage für den Großteil der Menschheit, die Ernährung der weiter wachsenden Bevölkerung. Auch sind sie Teil hochsensibler Kreisläufe: Gibt es großräumig Extremwetter, Trockenheit oder Hochwasser, schrauben sich die Preise für Lebensmittel hoch, während die Frage der Verteilung dieser Ländereien immer wieder zu Konflikten führt. Doch wo genau sind die Flächen, um die sich die Ernährungssicherheit dreht?
Experten behelfen sich meist mit Daten und Zahlenkolonnen, zumal Weltkarten grafisch an Grenzen stoßen, stören doch die über 105 Millionen Quadratkilometer ungenutzte Flächen. Der Kartograf Benjamin Hennig von der Universität Sheffield hat eine Lösung gefunden: Er blendet alles, was nicht relevant ist, aus. Dazu unterteilt er die gesamte Landoberfläche in einen Raster, dessen einzelne Zellen vergrößert oder geschrumpft werden - je nachdem, ob sie viel oder wenig Acker- oder Weidefläche enthalten. "Die Verzerrung ist wie eine Lupe, die den Blick auf jene Regionen richtet, um die es bei dem jeweiligen Thema geht", erklärt Hennig. Mit seiner "Worldmapper" benannten Technik hat der Forscher etwa auch schon Flüchtlingsströmeoder das Klima dargestellt. Ständig erscheinen neue Karten auf der Webseite http://viewsoftheworld.net.
Obgleich die Worldmapper-Karten bloß verfügbare Daten abbilden, liefern sie viele Aha-Erlebnisse. So machen etwa die Darstellungen der globalen Ackerflächen die Dimensionen der Kornkammern Russland und USA bewusst. Freilich werden nicht alle Erträge des Ackerlandes direkt in Nahrungsprodukte umgewandelt: Auf einem Drittel davon wächst Tiernahrung, allen voran auf den Sojafeldern in den USA, Brasilien und Argentinien. Die Weideflächen-Karte weist hingegen Afrika und Australien als Heimat der Viehzucht aus. Tierhaltung bleibt als Alternative oft dort, wo Klima oder Topografie ungünstig sind: im Himalaya, der Mongolei, in den Rocky Mountains sowie auch in den Anden.
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn die Farbgestaltung der Acker- und Weidekarten nicht mehr die Höhenmeter, sondern andere, wichtigere Variablen signalisiert. Die Verfügbarkeit von fließendem Süßwasser spielt beispielsweise für die Landwirtschaft eine zentrale Rolle.
Mehr Wasser benötigt
Klar wird nun, dass der Sektor sein größtes Wasserproblem nicht in den Wüsten hat - hier wird ohnehin nichts angebaut - sondern vielmehr in jenen Gebieten, in denen es dichte Besiedlung und viel industrielle Produktion gibt, die mit der Landwirtschaft um die Wasservorräte rittern. Tatsächlich leuchten die größten Ackerflächen der Welt - Europa, die USA und Indien - beim Vorkommen fließenden Süßwassers in roter Warnfarbe auf. Die Realität ist aber komplizierter. Denn Produktion und Erträge in der Landwirtschaft hängen auch davon ab, wie effektiv ein Land sein Wasser verfügbar macht, speichert und verteilt. Die Industrieländer machen sehr viel ihrer knappen Wasservorräte nutzbar.
Für Entwicklungs- und Schwellenländer gilt dies kaum - auch nicht für Indien und China. Afrika etwa hat trotz passabler Wasser-Ausgangslage eine negative Gesamtbilanz, da es an Wassertechnik mangelt oder diese instabil ist. Das Ergebnis des ungenügend genutzten Potenzials sind niedrige Produktion und Erträge. Jedenfalls wird immer mehr Wasser benötigt: Bis 2025 braucht die Landwirtschaft weltweit 1000 Kubikkilometer Wasser pro Jahr - zusätzlich. Das ist so viel wie die 20-fache Durchflussmenge des Nils