Zum Hauptinhalt springen

Globalisierungsfans in der Defensive

Von Thomas Seifert aus Davos

Wirtschaft

Beim Weltwirtschaftsforum dominiert die Sorge über ein Ende der derzeitigen Weltordnung von Freihandel.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Davos. Gerade rechtzeitig zum Beginn des World Economic Forum (WEF) endete das Schneegestöber. Davos drohte im Schnee zu versinken, die weiße Pracht reicht an manchen Stellen bis zur Hüfte, für die Gegend rund um Davos gilt Lawinenwarnstufe 5. Helikopter konnten wegen der schlechten Sicht nicht aufsteigen.

Nun hört man es wieder, das Geknatter der Hubschrauber, zeitweise ist die Sonne zu sehen und das Weltwirtschaftsforum zeigt sich von seiner besten Seite. Jedes Jahr im Winter wird der Tourismusort mit langer Tradition - Thomas Mann verewigte Davos in seinem 1924 erschienen Roman "Der Zauberberg" - völlig umgebaut. Auf der Hauptstraße "Promenade" sind die Fassaden neu gestaltet, Google, Facebook, Indonesien, Bank of America, die Bank HSBC, das Consultingunternehmen Accenture, der indische Konzern Tata, Russland, die Ukraine oder der indische Bundesstaat Andra Pradesh leisten sich den Luxus einer prestigeträchtigen Präsenz während des Weltwirtschaftsforums.

Keine Proteste

Die Straße ist wie ein Disneyland der internationalen Großkonzerne und der Länder, die sich ihnen als Wirtschaftsstandort anpreisen. Einzig die ebenfalls beachtliche Präsenz der Zürich-Versicherung gibt einen Hinweis darauf, dass Davos in der Schweiz liegt.

Eine Demonstration gegen das Forum gibt es in diesem Jahr in Davos keine - die Gemeinde hat den Demonstrationsansuchen der Jungen Sozialdemokraten und der Grünen nicht stattgegeben. Stattdessen wird nun in Zürich bei der Ankunft des US-Präsidenten gegen Donald Trump demonstriert.

Das Forum gibt auch längst kein gutes Feindbild mehr ab: Themen wie soziale Ungleichheit, Klimawandel und Umweltthemen, Armut und Entwicklungspolitik nehmen bei den Debatten seit einigen Jahren breiten Raum ein.

Eröffnet wurde das Forum dieses Jahr von Indiens Ministerpräsident Narendra Modi, der in seiner Eröffnungsrede vor der Bedrohung des Freihandels durch Protektionismus warnte. "Die Kräfte des Protektionismus erheben ihr Haupt gegen die Globalisierung", sagte Modi am Dienstag. Gespräche über Handelsabkommen seien ins Stocken geraten, neue Zollbarrieren würden errichtet. Die Reaktion auf diese Bedrohung für den Welthandel könnten nicht im Isolationismus liegen, sondern im "Verständnis und der Akzeptanz der Veränderungen", sagte der indische Premier, der mit einer großen Delegation von indischen Industriellen, Geschäftsleuten und Regierungsvertretern in die Schweizer Berge gereist war.

Modi stößt damit ins gleiche Horn wie Chinas Präsident Xi Jinping, der bei seiner Rede beim Weltwirtschaftsforum 2017 - kurz vor der Amtseinführung von Donald Trump - vor den Gefahren von Wirtschaftsabschottung und Handelskriegen gewarnt hatte. Protektionismus, das sei, als ob man sich zum Schutz vor der Außenwelt in eine "finstere Kammer" einschließe, in die dann aber kein Licht und keine Frischluft dringen können, sagte Xi im Jänner 2017. Die Globalisierung dürfe man nicht abschreiben, sondern man müsse ihre Folgen abfedern. Die internationale Finanzkrise sei auf exzessives Profitstreben und nicht auf die Globalisierung zurückzuführen, sagte der chinesische Präsident damals.

Modi prangerte auch die mangelnde Bereitschaft, wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu setzen, an: "Wir haben die Natur ausgenutzt." Modi kritisierte, dass nur wenige Regierungen bereit seien, klimafreundliche Technologien mit Schwellen- und Entwicklungsländern zu teilen.

Auf Distanz zu Trump

Mit seinen Aussagen zum Freihandel und zum Klimawandel ging Modi auf deutliche Distanz zu Trump, der mit seinem protektionistischen Kurs offenbar Ernst machen will und erst vor wenigen Tagen Einfuhrzölle gegen den Import von Waschmaschinen und Solarpanels verhängt hat. Zudem hat Trump schon im Wahlkampf propagiert, dass die USA aus dem Pariser Klima-Abkommen aussteigen wollen. Trump selbst wird am Donnerstag in die Schweiz reisen und am Freitag vor den rund 3000 aus aller Welt versammelten Delegierten die Abschlussrede der viertägigen Konferenz halten.

Welche Botschaft der "Amerika zuerst"-Präsident für die versammelten Davos-Eliten hat, darüber wird im Schweizer Alpin-Ort heftig spekuliert. Die Fronten sind jedenfalls abgesteckt: hier die Proponenten des Freihandels aus Europa und Asien, dort Donald Trump. Denn auch der Schweizer Präsident hatte bei seinen Eröffnungsgrußworten vor einem Ende des Freihandels gewarnt: "Misstrauen vor Multilateralität und Freihandel verstärkt bestehende Klüfte und vertieft sie noch." Wer sich vor Zusammenarbeit fürchte, ziehe sich aus der Welt zurück, "Furcht ist kein Treibstoff für Innovationen." Und Norwegens Regierungschefin Erna Solberg forderte den US-Präsidenten auf, sich an der Bewältigung internationaler Probleme wie dem Klimawandel zu beteiligen.

Die USA, der "place to be"

Bei einem hochrangigen Diskussionsforum mit dem Titel "Globale Märkte in einer zerrissenen Welt" unterstützte Steven Schwarzman, Chef der US-Investmentgesellschaft Blackstone, die Politik Trumps. "Die USA sind der ‚place to be‘ in der entwickelten Welt", sagte er und äußerte die Erwartung, dass viele Unternehmen angesichts der Steuererleichterungen (Trump hatte die Unternehmenssteuer von 35 auf 21 Prozent gesenkt) wieder in den USA investieren würden.

Wie jedes Jahr reisen Spitzenpolitiker aus den einflussreichsten EU-Staaten nach Davos: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die britische Premierministerin Theresa May, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentilioni und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werden sich in Davos ein Stelldichein geben.

Am Rande der Konferenz gibt es bilaterale und multilaterale Treffen zwischen Spitzenpolitikern und Wirtschaftsbossen. Das Motto des Weltwirtschaftsforums lautet heuer: "Für eine gemeinsame Zukunft in einer zerrissenen Welt".